Der Care-Markt ist für Caterer lukrativ und das bleibt er auch in Zukunft – der demografischen Entwicklung sei Dank.
Obwohl zahlreiche Untersuchungen und Studien längst belegen, dass die Ernährung vor allem im Alter wichtig ist – für Wohlbefinden, Lebensqualität und Gesundheit – wird sie in Seniorenheimen viel zu oft noch vernachlässigt. Rund ein Viertel der Bewohner in deutschen Pflege- und Seniorenheimen sind mangelernährt. Dies ergab die Auswertung der NutritionDay-Daten, die die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) aktuell herausgegeben hat. „Die Ergebnisse zeigen deutlich Handlungsbedarf auf. Maßnahmen zur Verbesserung der Ernährungsversorgung in Pflegeheimen sind dringend erforderlich, um der Entwicklung von Mangel-
ernährung vorzubeugen und bestehende Ernährungsprobleme angemessen zu behandeln“, sagt Prof. Dr. Dorothee Volkert vom Institut für Biomedizin des Alterns der Universität Erlangen-Nürnberg, die die Studie in Deutschland wissenschaftlich begleitet hat. Die Ursachen seien vielfältig, so Volkert im Gespräch mit Cooking + Catering inside. In Pflegeheimen seien es oft die chronischen und altersbedingten Krankheiten, die die Ernährung beeinflussen. Als Beispiel nennt die Wissenschaftlerin die Demenz, die häufig dazu führt, dass vergessen wird zu essen und zu trinken. „Das Wissen darum ist in deutschen Senioren- und Pflegeheimen durchaus vorhanden, aber es hapert oft an der Umsetzung.“ Der Stellenwert der Ernährung sei vielerorts immer noch viel zu gering. Das zeigten auch die Tagessätze, die in den Einrichtungen für die Versorgung der älteren Menschen angesetzt werden.
Die Beste Lösung zählt
Da, wo noch selbst gekocht wird, sieht Volkert Vorteile, denn so hätte das Küchenpersonal bzw. die Küchenleitung die Möglichkeit, die Bewohner und deren Vorlieben kennenzulernen und die Küche daran auszurichten. Auch weist sie auf die Frische der Mahlzeiten hin, wenn vor Ort gekocht und nicht angeliefert werde. Aber sie steht Caterern deshalb nicht grundsätzlich skeptisch gegenüber. „Catering-Konzepte, die auf die tatsächlichen Bedürfnisse der Senioren ausgerichtet sind, sind begrüßenswert“, sagt Volkert. Letztlich gehe es darum, die Mangelernährung in deutschen Seniorenheimen zu bekämpfen. Ob die Selbstversorgung oder professionelles Catering dazu beitrage, darauf käme es letztlich nicht an.
Viele Einrichtungen bekommen es tatsächlich trotz zunehmender Ansprüche der Gäste (Stichworte halal, vegan, vegetarisch, nachhaltig) gut hin, die Versorgung selbst zu übernehmen. Meist hat das Essen dann dort einen besonderen Stellenwert, auch, um neue Bewohner für das Seniorenheim zu gewinnen bzw. deren Angehörige, die oftmals den Platz aussuchen (müssen). Ein vorbildliches Beispiel für Selbstversorgung ist die Seniorenresidenz Rheinallee in Bonn, die ihre Gäste im Restaurant Ambiente bewirtet. Die Einrichtung ist eine von sechs Nominierten des Transgourmet-Wettbewerbs „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“. Küchenchef Werner Kilian: „Gutes Essen ist für uns ein wesentlicher Teil der Lebensfreude. Deshalb stellen wir an unsere Küche besonders hohe Ansprüche. Alle Speisen werden täglich frisch und schonend zubereitet, auf Convenience-Produkte wird weitestgehend verzichtet.“ Das Restaurant sei auch für Gäste von außen geöffnet und das werde auch genutzt, sagt Kilian. Sowohl Mitarbeiter aus umliegenden Büros als auch ältere Menschen, die noch zu Hause wohnen, aber nicht selbst kochen wollen oder können, kommen regelmäßig mittags ins Restaurant und bekommen für 8,50 Euro ein Menü. „Für uns ist das eine prima Werbung. So mancher Gast wurde später unser Bewohner.“ So wird die gute Versorgung zum Marketing-Instrument. Allerdings ist die Residenz in ihrer Einnahmen-/Kostenstruktur auch nicht mit herkömmlichen Seniorenheimen zu vergleichen. Die eigene Küche mit eigenem Personal müssen sich die Einrichtungen auch leisten können. Das wiederum ist vielerorts nur noch möglich, wenn die Klientel vorhanden ist, die mehr für Zimmer, Service und somit auch für die Versorgung bezahlen kann.
Dort, wo ein Versorgungsengagement wie in der Bonner Rheinresidenz aus welchen Gründen auch immer nicht möglich ist, kann der Caterer die bessere Lösung sein. Viele Caterer haben sich auf die besonderen Ansprüche der Senioren eingestellt. „„Bei uns beschäftigt sich ein eigenes Team von Oecotrophologen und Diätassistenten damit, den Anforderungen der Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen bestmöglich gerecht zu werden“, sagt Matthias Hofmann, Geschäftsführer der Wisag Care Catering. Ähnlich sieht es Michael Röttcher, Fachreferenz Care bei Aramark: „Besonders wichtig ist es, auf die Bewohner der Einrichtungen einzugehen, die zum Teil bestehende Mangelernährung durch die veränderte Lebenssituation zu berücksichtigen und ihr mit ansprechenden Speisen, wie zum Beispiel passierter Kost, sowie einer qualifizierten Serviceleistung in der Ausgabe zu entgegnen.“
Die SV Group zeigt beispielhaft, dass die Einrichtungen, auch wenn Caterer mitmischen, nicht auf eine eigene Küche verzichten müssen. Man habe schon länger erkannt, dass zahlreiche Einrichtungen für ein emotional wichtiges Thema wie das Essen gerne verantwortlich bleiben möchten – und dennoch das Know-how von Experten benötigten. „Hier unterstützen wir gerne. Die Entscheider in den Häusern unserer Kunden werden bei dem Konzept Eigenbetrieb 4.0 nur dort begleitet, wo es Handlungsbedarf gibt“, so das Unternehmen zu Cooking + Catering inside.
Maßgeschneiderte Lösungen
Matthias Hofmann von Wisag macht ebenfalls deutlich, dass der Service als Caterer weit über die reine Verpflegung hinausreichen müsse: „Durch Analysen in den Einrichtungen schaffen wir vorab Transparenz von Kosten und Qualität. Unser Ziel dabei: Verschwendung vermeiden und Ressourcen ganz gezielt für den Wareneinsatz und eine hohe Qualität von Speisen einsetzen. Dazu sehen wir uns die Rahmenbedingungen der jeweiligen Einrichtung genau an und entwickeln maßgeschneiderte Verpflegungslösungen.“
Wisag bietet nach eigenen Angaben eine große Bandbreite, auch was die Präsentation und Darreichung der Speisen angeht. Sie reicht von Buffetsystemen über fertig tablettierte Mahlzeiten bis hin zum Zimmer-Service. „Wichtig ist es uns dabei immer, die Prozesse und Abläufe so zu gestalten, dass eine hohe Qualität der Speisen sichergestellt ist. Das heißt beispielsweise: Produktionsprozesse kritisch unter die Lupe nehmen, Standzeiten so kurz wie möglich halten und die eingesetzten Lebensmittel sorgsam auf Herkunft, Regionalität, Güte und Frische zu prüfen“, erklärt Hofmann. Das Engagement macht sich bezahlt: Wisag hat es im Herbst 2018 nach eigenen Angaben als erster Gemeinschaftsverpfleger geschafft, für Speisenkomponenten aus der Wisag-Manufaktur die Zertifizierung „DGE Zert-Konform“ zu erhalten. Damit verfügt das Unternehmen über die erste reine Produktionsküche, die dieses Logo der DGE führen durfte – aktuell für 150 von über 300 Mahlzeitenkomponenten.
Auch für die SV Group ist die professionelle Nutzung eines Warenwirtschaftssystems ein wichtiger Hebel. „Unsere Köche und die Diätassistenten arbeiten mit einem modernen Warenwirtschaftssystem, in dem alle Rezepturen mit detaillierten Nährwertdaten, Allergenen und Zusatzstoffen zentral gepflegt und in einem Prozess dargestellt werden.“ Dies habe den Vorteil, dass sowohl Köche als auch Diätassistenten zur jeder Zeit Prozesse und Qualität auswerten und somit direkt auf Ereignisse oder Veränderungen reagieren könnten. „Mit der systematischen Speisenüberwachung sind wir in der Lage, die gleichbleibende Qualität der Speisen und die einhergehenden Produktspezifikationen durch die grammgenaue Rezepturpflege zu überwachen und zu steuern. Dies ist für unsere Patientinnen und Patienten ein großer Vorteil“, informiert die SV Group.
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