Ein Interview mit Jana Fuhrmann-Heise, Geschäftsführerin von Biond aus Kassel, Lieferant für Schul- und Kita-Essen in Bio-Qualität, über den Corona-Einbruch, Anpassungsstrategien im Geschäft und die Zukunft der Nachhaltigkeit.
Frau Fuhrmann-Heise, bitte schildern Sie uns, was Ihr Unternehmen ausmacht.
Wir sind eine Großküche mit Stammsitz in Kassel und einer Niederlassung in Köln. Wir kochen Bio-Mittagessen – mit Ausnahme von Fisch aus Wildfang sind alle Lebensmittel bio-zertifiziert – für Kitas und Schulen. Kitas und Grundschulen beliefern wir in Heißbelieferung in den Regionen Kassel und Köln. Mensen in Ganztagsschulen betreiben wir in mehreren Bundesländern, vor allem in Hessen und NRW, dort über Cook & Chill in Kombination mit regionaler Bio-Frischware.
Wie hat sich das Schulcatering seit Ausbruch der Corona-Krise bis Stand heute entwickelt?
Das Catering ist komplett zum Erliegen gekommen und hat sich erst minimal erholt. Von den 11.000 Essen sind nun noch 800 übrig. Diese Essen liefern wir fast ausschließlich an Kindertagesstätten. Die meisten Schulen bieten nur eine Notbetreuung an und können auch nur von Tag zu Tag planen. Dort gibt es statt heißem Mittagessen oft nur belegte Brötchen, da einerseits die Vorbereitungszeiten zu kurz sind und die Schulen bei regulären Mahlzeiten die Abstandsregeln gar nicht einhalten könnten. Aber jede Stadt, sogar jede Schule handhabt das anders. Dort, wo wir noch Mittagessen anbieten können, sorgen die behördlichen Auflagen dafür, dass wir nicht mehr wirtschaftlich arbeiten können. Wir geben nur noch einen Bruchteil der ursprünglichen Mahlzeiten aus, haben aber einen höheren Personaleinsatz, da wir keine Selbstbedienung mehr anbieten können und die Anforderungen an die Hygiene sprunghaft gesteigert wurden. Jeder Sitzplatz muss nach jeder Mahlzeit intensiv gereinigt werden, das Personal darf an den Stationen nicht mehr wechseln und alle Speisen müssen vorportioniert werden.
Erwägen Sie, staatliche Hilfen in Anspruch zu nehmen? Wenn ja, welche?
Wir warten zunächst ab, welche Angebote das neue Konjunkturpaket bringen wird. Das Schul-Catering gehört zu den am stärksten betroffenen Branchen. Bisher ist ja fast das gesamte Wirtschaftsleben zumindest zaghaft wieder angelaufen, aber die Schulmensen bleiben geschlossen. Und dann kommen auch noch die Sommerferien – das ist wirklich unverhältnismäßig hart.
Ich denke, die Krise ist der passende Anlass, generell über die Position der Mittagsverpflegung in der Schulkonzeption zu diskutieren. Ein gutes gesundes Essen ist die Basis dafür, dass am Nachmittag sinnvoll Unterricht durchgeführt werden kann. Weder ein leerer Magen noch ein Mittagstief nach fettigem FastFood ermöglicht gute schulische Leistungen am Nachmittag. Ein Blick auf die Zahlen macht die Situation deutlich: Die Stadt Berlin kostet ein Schüler 9.200 Euro pro Jahr – das sind umgerechnet auf circa 180 Schultage 51,10 Euro am Tag. Und dann streitet man sich darum, ob ein Essen 2,50 Euro oder 4,50 Euro kosten darf, und der Staat kassiert nach wie vor den vollen Mehrwertsteuersatz auf jedes Essen!
Wie sollte es stattdessen sein?
Das Schulessen sollte stärker auf die Anforderungen des Schultages abgestimmt und in der Schulstruktur verankert werden. Das beinhaltet eine höhere Kostenübernahme durch die Schulträger und Anstellung des Mensapersonals beim Schulträger. So wie Mathe- und Sportlehrer ihren Beitrag zum Erfolg der Schulzeit beitragen, tut dies auch ein gutes Mittagessen. Daher sollte das Essen auch nicht länger seinen Sonderstatus als notwendiger Fremdkörper behalten, sondern konzeptionell und personell seinen Platz im Schulkonzept finden. Hier möchten wir gern mit anderen Caterern und der Politik ins Gespräch kommen und sehen, wie man das Bildungssystem gemeinsam mit der Mittagsverpflegung voranbringen könnte. Wenn nicht jetzt, wann dann?
Wie hoch schätzen Sie den wirtschaftlichen Schaden ein, der Ihnen durch die Corona-Krise entstehen wird?
Wir wissen ja noch nicht, was noch auf uns zukommt. Momentan gehen wir von 2,5 bis 3 Mio. Euro aus, davon sind allein 2,5 Mio. Euro entgangener Umsatz.
Gibt es bereits Lehren, die Sie aus dieser Krise ziehen?
Die Möglichkeit, Lehren zu ziehen, ist nur begrenzt. Wir waren im Rahmen unserer Möglichkeiten zumindest technisch schon recht gut vorbereitet. Wir verfügen zum Beispiel über flexible Arbeitsgeräte und IP-basierte Telefonie, sodass wir die Arbeitsplätze in der Verwaltung problemlos ins Home-
office verlagern konnten. Das löst natürlich nicht die Ausfälle in der Produktion, aber es ermöglicht die zielgerichtete Planung für die Zeit nach der Pandemie.
Wir stellen uns für die Zukunft ein wenig breiter auf. Wir haben bereits ein Cook-&-Chill-Angebot für andere Caterer und Restaurants, die selbst Bio-Produkte anbieten möchten. Das haben wir bislang noch nicht sehr stark beworben – werden wir zukünftig machen. Außerdem haben wir uns durch unseren Onlineshop unabhängiger von Institutionen gemacht, indem wir nun auch Privathaushalte bundesweit mit Essen beliefern, für die Familie oder das Homeoffice. Ansonsten: Wir werden uns ein größeres Kontingent an Hygienemitteln zulegen. Diese Mittel benötigen wir ja als Basis für unsere Produktion, durch die Pandemie ist plötzlich ein Lieferengpass entstanden. Darauf werden wir zukünftig noch mehr achten.
Nachhaltigkeit spielt in Ihrem Unternehmen eine große Rolle. Sie haben gerade den „WeltverbEsserer“-Award dafür erhalten. Was unterscheidet Ihren Ansatz vom „herkömmlichen“ Schul-Catering?
Wir haben nicht geplant, so viele Essen wie möglich zu verkaufen, sondern haben uns die Frage gestellt, wie wir Kindern und Jugendlichen ein Essen anbieten können, das ihnen die beste Basis für eine optimale körperliche und geistige Entwicklung bietet. Damit stand von vornherein fest, dass wir ausschließlich mit Bio-Lebensmitteln arbeiten – mit Ausnahme von Fisch aus Wildfang – und auch ein großes Augenmerk auf gesunde Rezepturen legen. Wenn wir Pizza anbieten, dann besteht der Teig zum Beispiel zu 50 Prozent aus Vollkornmehl. Weil „gesund“ allein für Jugendliche noch keine Motivation darstellt, gerne und oft in der Mensa zu essen, haben wir in den Schulen die Vorbestellung abgeschafft und ein Selbstbedienungsbüfett eingeführt. Wir haben je nach Mensagröße bis zu sieben Stationen mit Tagesgericht, Salatbüfett, Beilagen, Suppe, Dessert, Snacks, Getränken und sogar einen Wok im Frontcooking. Mit unserer Wunschwaage können die Schüler mit ihrem Besteck über das Dessert des nächsten Tages abstimmen – so etwas macht einfach Spaß!
Wir möchten aber nicht nur Essen anbieten, sondern noch mehr inhaltlich arbeiten. Deshalb haben wir die Schmecker-Checker-Workshops entwickelt, in denen wir lebendige Ernährungsbildung praktizieren und mit den Kindern gemeinsam kleine Speisen zubereiten.
Dann haben wir uns noch dem Einsatz gegen Lebensmittelverschwendung verschrieben: Mit unserem „Abfallbarometer“ motivieren wir zu weniger Tellerresten und mit unserem „Probierchen“ zum mutigen Probieren unbekannter Lebensmittel. Denn nur was Kinder kennen, essen sie irgendwann gern, anstatt es unberührt in die Abfalltonne zu werfen.
Foto: Biond