Spätestens, als das Smartphone seinen Durchbruch hatte und Skype-, Video- oder Web-Konferenzen in die Welt des Business einzogen, wurde den Messen keine rosige Zukunft prognostiziert. Aber es gibt sie immer noch. Und an vielen Standorten wird derzeit in die Zukunft investiert. Zur Freude der Caterer, die im Messegeschäft tätig sind. Aber: Die Ansprüche sind hoch und wachsen weiter.
„Deutschland ist traditionell ein sehr starker Messestandort mit internationaler Anziehungskraft“, sagt Alexander Walter, Geschäftsführer der Käfer Service Hamburg GmbH. Er hat Recht: Rund zwei Drittel aller globalen Branchemessen finden in Deutschland statt. An den größten 22 deutschen Messeplätzen sind es jährlich mehr als 150 Messen mit vielen Millionen Besuchern. Hinzu kommen die zahlreichen Messen, die man nicht sofort auf dem Schirm hat. Der Verband für Messen und Ausstellungen, Fama, wo eher die kleineren Messestandorte vertreten sind, versammelt nach eigenen Angaben mit rund 40 Mitgliedern einen wesentlichen Teil der deutschen Messewirtschaft. Diese führen jährlich auch immerhin rund 200 Messen, Ausstellungen und Kongresse mit mehr als 4 Mio. Besuchern durch.
Die Digitalisierung scheint also in diesem Fall der analogen Kommunikation nicht zu schaden. Im Gegenteil: Viele Messegesellschaften investieren derzeit. Beispiele: Die Messe Hamburg baut das neue Kongress Center Hamburg (CCH). Die Eröffnung soll im kommenden Jahr sein. Der Caterer Käfer, der in Hamburg Stockheim abgelöst hat, freut sich. Im Januar dieses Jahres wurde auf dem Kölner Messegelände der Grundstein für die neue Halle 1plus gelegt. Ab Anfang 2021 sollen dort Messen, Ausstellungen, und Sonderschauen stattfinden. Dann müssen bis zu 4.000 Teilnehmer versorgt werden. Es geht aber nicht mehr nur um Ausbau und Modernisierung, sondern vielerorts auch um die Neuausrichtung der Gastronomie, sprich: des Caterings. „Der Messe-Weltverband UFI in Paris hat kürzlich das Thema Catering zu den Top 5 Zukunftsthemen im Messe-Business erhoben. Das sagt einiges über den Bedeutungszuwachs des Caterings auf Messen und Kongressen aus“, sagt der Branchen-Experte Klaus-Peter Suhling im exklusiven Interview mit Cooking + Catering inside (siehe Seite 30).
Ein gefundenes Fressen
Auf den ersten Blick sind es natürlich die Tochterunternehmen der großen Messegesellschaften, wie beispielsweise Fairgourmet in Leipzig oder Accente in Frankfurt, die sich die größten Stücke des Kuchens einverleiben. „Ein Vorteil ist sicherlich die Schnelligkeit und Flexibilität, mit der wir auf dem Messegelände agieren können. Wir kennen es wie unsere Westentasche“, sagt Accente-Geschäftsführer Holger Schuster. Die Unternehmen der Messegesellschaften haben ganz klar einen Heimvorteil. Aber auch die sogenannten Servicepartner, auf die die Messegesellschaften beispielsweise in München, Köln oder Düsseldorf setzen, mischen hier mit (siehe Tabelle S. 29) und kennen sich nach oftmals jahrelanger Zusammenarbeit mit der jeweiligen Messe gut aus. Ob Töchter, Servicegesellschaften oder andere vertragliche Vereinbarungen: Alle haben natürlich großes Interesse daran, so viel Catering wie möglich am Messestandort zu übernehmen. Für die Restaurants, Snack-Bars, Food-Trucks, Bistros etc. vor Ort sind sie meist sowieso zuständig. Noch gibt es keine Franchise-Ketten, die sich an Messestandorten niederlassen. Dafür sind die Zeitspannen, in denen nichts los ist auf dem Messegelände, zu lang. Fachmann Klaus-Peter Suhling schließt jedoch nicht aus, dass auch das in Zukunft für so manchen Standort eine Option sein könnte. Es seien auch hier moderne, urbane und vor allem auch flexible Konzepte gefragt, sagt Suhling. Und viele Messestandorte präsentieren deshalb auch eigene moderne Burger- und Pizza-Marken, wie beispielsweise die Messe Gastronomie Hannover.
Auch das große Geschäft der Kongresse, Abendveranstaltungen, Neuprodukt-Präsentationen usw. wird natürlich gerne von den Messetöchtern bzw. den Servicepartnern übernommen. Vor allem Kongresse sind begehrt, denn hier läuft das Geschäft 365 Tage im Jahr. Andererseits: Der Kunde ist König und kann letztlich auch selbst entscheiden, wer beispielsweise bei einer Neuprodukt-Präsentation oder auf der Standparty das Catering übernimmt. Das gilt natürlich auch für das Stand-Catering während der Messe, wo die Ansprüche der Aussteller in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen sind. Ein gefundenes Fressen oftmals für kleinere und mittelständige Caterer, die auf Individualität und Performance setzen. Aber auch die Großen sind vorbereitet. „Sowohl Veranstaltern als auch Ausstellern ist ein Catering auf hohem Niveau ein wichtiges Kriterium für die Attraktivität des Standortes“, weiß Alexander Walter von Käfer.
Insgesamt also ein lukratives Geschäft für die Caterer, die daran beteiligt sind. Aber auch ein besonders anspruchsvolles, das sich in vielerlei Hinsicht von anderen Catering-Bereichen erheblich unterscheidet. „Die Messegastronomie kann man als Königsdisziplin der Gastronomie bezeichnen“, sagt Holger Schuster. Und dazu zählt nicht nur die Versorgung mit Essen und Trinken. So müssen logistische, personelle und hygienische Herausforderungen genauso gemeistert werden.
Auf die Messe kommt es an
Und es müssen im Vorfeld zahlreiche Fragen beantwortet werden: Um welche Messe handelt es sich? Was für ein Publikum ist zu erwarten? Wie international ist die Messe (Aussteller und Besucher)? Welche Branche präsentiert sich? Um als Beispiel in den Gefilden der Gastronomie zu bleiben: Die Internorga in Hamburg und die Intergastra in Stuttgart ziehen als größte Gastronomiemessen in Deutschland naturgemäß vor allem Besucher aus dieser Branche an. Caterer sind hier zahlreich vertreten. Entsprechend hoch sind die Erwartungen sowohl an den Gastro-Bereich der Messen (Restaurants, Bistros etc.) als auch an das Catering auf den Ständen der Aussteller. Und natürlich auch an das auf den Veranstaltungen rund um die Messe. Ganz anders sind die Erwartungen an die Versorgung beispielsweise auf der internationalen Fachmesse für Baumaschinen (bauma) oder auf der Internationalen Automobil Ausstellung (IAA), der wohl bekanntesten Messe mit den meisten Besuchern. Es gibt Messen mit Tradition und vergleichsweise junge Messen wie die Gamescom. Entsprechend unterschiedlich ist das Publikum. Alle Catering-Angebote müssen sich dem anpassen.
Nicht zu vergessen, die große Anzahl der Journalisten (die von Caterern im Pressezentrum versorgt werden). Auf der Gamescom 2018 waren unter den 340.000 Besucher mehr als 5.000 Journalisten – aus aller Welt. Und die Anzahl der Journalisten auf den Fachmessen, die mit Essen und Trinken zu tun haben, kann sich ebenfalls sehen lassen. Dann rückt Catering ins Rampenlicht, was eher selten der Fall ist in der Branche. Beispiel: Auf die Anuga 2017, die weltgrößte Ernährungsmesse, kamen 165.000 Besucher aus fast 200 Ländern, darunter 1.400 Journalisten. Hier wird noch ein Aspekt deutlich, den Caterer beachten müssen: Handelt es sich um eine reine Fachmesse oder um eine Publikumsmesse? Antworten auf diese und viele andere Fragen (beispielsweise welche Haupthemen die Messe-Caterer in Zukunft beschäftigen werden) geben die Caterer selbst, in der kommenden Ausgabe von Cooking + Catering inside.
Foto: Fairgourmet