Das Essen außer Haus soll frisch, ökologisch und regional ausgerichtet sein, dabei noch genussvoll und leistbar. Das ist Herausforderung und Chance zugleich.
Immer mehr Menschen essen auswärts, und immer mehr Menschen wollen sich nachhaltig ernähren. „Bringt man beide Entwicklungen zusammen, kann ein großes Potenzial freigesetzt werden: für die gesunde Ernährung vom Kindergarten bis ins Seniorenheim und für heimische Bio-Bauern“, schlussfolgern die Autoren des Branchenreports Ökologische Landwirtschaft 2020. Das klingt einfach. Doch ist es das auch? Cooking + Catering inside hat mit Eva Schlüter von der Initiative BioBitte, zugleich Projektmanagerin bei der Unternehmensberatung A’verdis, gesprochen.
Frau Schlüter, warum muss es unbedingt bio sein? Ist regional nicht oft besser?
Im besten Fall kommen die Bio-Produkte aus der Region! Das ist aber nicht immer möglich, noch immer sinnvoll. Viele Küchen beziehen daher einige Produkte in Bio-Qualität und einige ausschließlich aus der Region. Hier kennen sie häufig den landwirtschaftlichen Betrieb persönlich, die Gäste haben einen Bezug zu ihnen. Mit dem Kauf von regionalen Produkten erhofft man sich kurze Transportwege und damit Frische. Allerdings erlaubt die Bezeichnung „regional“ keinerlei Rückschluss auf Qualität des Produktes, Herstellungsprozess oder Betrieb – und kann auch noch sehr unterschiedlich ausgelegt werden. Das ist mit Bio anders. Hier gibt es klare, europaweit geltende gesetzliche Regeln.
Nachfrage und Verfügbarkeit von Bio-Produkten – wenn immer mehr nachgefragt wird, können die Produzenten da mithalten?
Wenn von heute auf morgen alle Küchen auf Bio umstellen würden, gäbe es in der Tat Schwierigkeiten bei der Beschaffung von geeigneten Warenmengen. Aber das passiert ja nicht. Beide Bereiche müssen sich gemeinsam entwickeln – und das tun sie auch. Viele Hersteller und Lieferanten von Bio-Produkten haben sich auf die Gemeinschaftsverpflegung eingestellt. Mittlerweile gibt es nahezu alle Produkte in geeigneten Größen und Vorverarbeitungsstufen auch in Bio-Qualität. Die Verfügbarkeit ist also zunächst einmal gut. Probleme mit der Beschaffung treten dann auf, wenn Küchen zu wenig Bio-Produkte beziehen und damit die Wirtschaftlichkeit für den Lieferanten erschwert wird. Diese Betriebe beziehen ihre Bio-Produkte nicht selten zunächst über ihre konventionellen Lebensmittellieferanten, deren Bio-Sortiment stetig wächst. Wenn der Bio-Einsatz nach und nach erweitert wird, wechseln viele gerne zum Bio-Großhändler. Bis dahin gibt es sehr unterschiedliche Lösungen, zum Beispiel den gemeinsamen Einkauf verschiedener Küchen.
Die Fläche des Ökoanbaus hat in den vergangenen Jahren um 50 Prozent zugenommen. Ist der konventionelle Anbau dadurch weniger geworden?
Laut BÖLW wurden zuletzt 10,1 Prozent der Fläche für den Ökolandbau genutzt. Wird die Gesamtagrarfläche betrachtet, also die hinzugekommenen neuen Flächen und die aufgegebenen alten Flächen, so wird deutlich, dass es sich bei dem Großteil der neuen Ökolandbau-Flächen um Umsteller handelt.
Wie hoch ist derzeit der Bio-Anteil in der Gemeinschaftsverpflegung?
Dazu liegen lediglich Schätzungen vor. Wir haben im Rahmen eines Forschungsprojektes versucht, diese Zahlen zu erheben. Aufgrund der Sensibilität der Daten leider nur mit mäßigem Erfolg. Nach unseren eigenen Schätzungen dürfte das Netto-Einkaufsvolumen des gesamten Außer-Haus-Marktes in Deutschland 2019 für Bio-Lebensmittel bei etwa
500 Mio. Euro, also deutlich unter 5 Prozent des Gesamtvolumens gelegen haben. Hier ist noch viel Raum für Entwicklung!
Was ist grundsätzlich bei einer Umstellung auf Bio in der GV zu beachten?
Es hat sich bewährt, dass Betriebe Schritt für Schritt an den Einsatz von Bio-Produkten herangehen. Wichtig ist sicherlich, dass eine Küche bereits sehr gut geführt wird, alle Abläufe und nötigen Zahlen bekannt sind. Ebenso nötig ist es, sich am Anfang Zeit zu nehmen, um sich mit der (neuen) Thematik, den Rechten und Pflichten auseinanderzusetzen. Ich finde es hilfreich, wenn mir eine Küchenleitung eine nachvollziehbare Antwort auf die Frage „Warum wollen Sie Bio-Produkte einsetzen?“ geben kann. Auch das Team sollte mitgenommen werden, denn den Ausgabekräften kommt eine besondere Rolle zu: Sie sind die Botschafter des Essens und im direkten Kontakt zum Gast.
Wie sollte vorgegangen werden? Welche Schritte sind sinnvoll?
Am wichtigsten ist: anfangen! Der Einstieg gelingt am leichtesten durch den kompletten Austausch einzelner Zutaten, so besteht zum Beispiel keine Verwechslungsgefahr. Küchen schauen, welche Produkte sie austauschen wollen, welche sich auch für die Kommunikation zum Gast eignen und probieren verschiedene Varianten zunächst aus. So kann nach und nach das Bio-Sortiment gesteigert werden.
Wie lange dauert eine Umstellung erfahrungsgemäß?
Das kann so pauschal gar nicht gesagt werden. Es hängt von der Ausgangssituation und dem definierten Ziel ab. Wenn eine Küche zum Beispiel 20 Prozent Bio einsetzen möchte, ist bei Erreichen dieser Zielgröße die Umstellung zunächst abgeschlossen. Andere Küchen wollen aber kontinuierlich mehr Bio einsetzen, das ist dann eine stetige Entwicklung, die eigentlich nie abgeschlossen ist. Wie schnell diese ist, ist sehr unterschiedlich – und das ist auch in Ordnung so.
Warum?
Weil jede – absolut jede – Küche anders ist. Weil die Gemeinschaftsverpflegung von Menschen für Menschen gemacht wird. Weil die Rahmenbedingungen nicht unterschiedlicher sein könnten. Weil Entwicklungen immer unterschiedlich schnell erfolgen. Weil wir immer mit dem Unvorhersehbaren kalkulieren müssen.
Wie sieht es mit einhergehenden Kostensteigerungen in der Küche aus?
Die Mehrkosten für ein Bio-Produkt können sehr unterschiedlich sein. Wie hoch der Unterschied ist, hängt auch davon ab, welche Qualität bislang bei den konventionellen Produkten eingesetzt wurde. Das ist auch stark abhängig von den zur Verfügung stehenden Ressourcen: zum Beispiel Budget, Personal, Raum, Wissen.
Wieviel mehr kann bzw. muss für ein Bio-Gericht kalkuliert werden?
Auch das ist abhängig von so vielen verschiedenen Faktoren: Zutaten, Mengen, Zubereitung, Lieferpreise. Das pauschal zu beantworten würde der Realität nicht gerecht werden. Es gibt Lebensmittel, bei denen sich der Einkaufspreis kaum unterschiedet und solche, die zwei- bis dreimal so teuer sind.
Die Initiative Bio bitte!
will den Anteil von Bio-Lebensmitteln in der öffentlichen Außer-Haus-Verpflegung auf 20 Prozent und mehr steigern. BioBitte möchte politische Entscheider, Vergabestellen, Fachreferate sowie Leiterinnen und Leiter von Verzehreinrichtungen auf ihrem Weg zu mehr Bio in öffentlichen Küchen mit Hintergrundinformationen, Handlungshilfen und Netzwerk-Veranstaltungen unterstützen. Seit Juni 2020 finden bundesweit verschiedene Initialveranstaltungen für Kommunen, die am Anfang eines Umstellungsprozesses stehen, Vernetzungsworkshops sowie Dialogforen für Städte, Kommunen, Länder und Bund statt.
Fotos: Shutterstock, Biobitte!