Ob zu deftigen Wirtshausgerichten, feinsinniger Hochküche oder sogar zu Käse und Desserts: Sake, der japanische Reiswein, ist ein spannender Essensbegleiter mit fruchtigen, blumigen und herzhafteren Aromen. Auch hierzulande wird Sake immer öfter ausgeschenkt – zurecht.
Im Wirtshaus von Döllerers Genusswelten bei Salzburg kommt gerne mal japanischer Reiswein auf den Tisch. Zur gebratenen Blutwurst mit knusprigem Kartoffelstroh und Paprikakraut etwa ein süßlich-fruchtiger Hanatomoe Nature x Nature. Oder zum Butterschnitzel von der Gams mit Röstkartoffelsud und Steinpilzen ein holzfassgereifter Masuizumi Junami Daiginjo Special mit nussigen Noten. „Sake geht mit dem Eigengeschmack der Gerichte mit, ohne selbst zu vorlaut zu werden“, erklärt Sommelier Alexander Koblinger, der sich mit dem Thema tiefgehend vor seiner Teilnahme an der Sommelier-Weltmeisterschaft 2013 in Tokio beschäftigt hat. Aufgrund seines Engagements für die japanische Sake-Kultur wurde er im Jahr 2018 sogar zum Sake Samurai von der Japan Sake Brewers Association gekürt.
Auch wenn das Herz des Österreichers weiterhin für klassischen Wein schlägt, bringt Sake nochmals andere Qualitäten mit sich. Sake sei immer mild von der Säure, habe eine dichtere Struktur und würde meist von einem Umami-Geschmack getragen – das ist die fünfte Geschmacksrichtung neben süß, sauer, salzig und bitter, die am ehesten mit fleischig-herzhaft umschrieben werden. Das spielt unter anderem der modernen Hochküche in die Hände, in der gerade leichtere, säurebetonte und gemüselastige Kreationen en vogue sind. In zahllosen Feinschmeckerrestaurants ziehen deshalb Sommeliers und Sommelièren im Laufe des Abends eine Flasche Sake unter dem Tresen hervor. „Es darf aber nicht zur bloßen Effekthascherei verkommen: Es muss zusammenpassen, dann ist es grandios“, so Koblinger.
Eine schöne Abwechslung in der Getränkebegleitung
Auswahl gibt es jedenfalls genug. Hunderte Reisweine sind mittlerweile im Fachhandel erhältlich, die Preise liegen nicht selten um die 40 Euro oder mehr. Es gibt glasklaren, honiggelben oder prickelnden Sake, die Sorten duften nach Maracuja, Mango oder Ananas, nach Lilie, Rosen oder Bergblumen. Es gibt sogar Reisweine, die in Sherry-Blindverkostungen eingeschmuggelt und nicht erkannt wurden. „Sake ist so vielfältig wie Wein. Ich hatte sogar einmal einen, der mich an Parmesan und Schinken erinnerte“, erzählt Nina Mann lachend. Sie ist Sommelière im vielfach ausgezeichneten Restaurant Victors Fine Dining in Perl. Der Küchenstil von Dreisternekoch Christian Bau ist fernöstlich inspiriert, doch nicht nur deswegen, greift sie gerne zu Reiswein: Er bietet auch eine schöne Abwechslung in der Getränkebegleitung.
Besonders bei Vorspeisen mit jodigen und salzigen Aromen – sei es nun Makrele oder auch Kaviar – spielt Nina Mann gerne mit dem Element eines Reisweins. Sake passe aber auch hervorragend zu Käse oder zu Desserts. Weitere Vorteile liegen für die 33-Jährige darin, dass geöffneter Sake nicht in zwei, drei Tagen ausgeschenkt sein muss, denn die Getränke bleiben länger auf der Höhe. Außerdem sei Sake auch für diejenigen geeignet, die unter Gluten- oder Fruktoseintoleranz leiden. Nachhaken tut die Sommelière dennoch, bevor sie die Spezialität eingießt, denn viele Gäste hätten Vorbehalte, würden bei Sake etwa an Hochprozentiges denken. Missverständnisse liegen sicherlich auch in der Bezeichnung „Reiswein“ begründet, denn im Grunde gleicht die Produktion eher der Bierherstellung – sie ist nur weitaus komplexer.
Das Geheimnis hinter teurem Sake: Das Reiskorn wird zu zwei Dritteln abgeschliffen
Die Hälfte des japanischen Reisweins wird zwar von zehn großen Unternehmen produziert, aber das Spektrum ist dennoch exorbitant: Über 1.300 Sake-Brauereien gibt es in Japan, weiß Yoshiko Ueno-Müller. Sie hat Fachbücher zu dem Thema verfasst, lehrt an Sommelierschulen und betreibt mit ihrem Mann einen Import für die Spezialität. Den individuellen Geschmack von Sake schreibt sie weniger den nahezu 100 Reissorten zu, aus denen das Getränk produziert wird, als unterschiedlichen Schritten der Herstellung, etwa dem Poliergrad des Reiskorns: „Bei besonders teuren Reisweinen wird vom Korn bis zu zwei Drittel abgeschliffen, bis nur der reine stärkehaltige Kern übrig ist, was einen fruchtigen Geschmack befördert. Je mehr von der eiweiß- und fetthaltigen Außenschicht bleibt, desto mehr Umami bleibt zurück“, so die Sake-Expertin.
Anschließend wird der Reis gewaschen, gedämpft und ein Teil von meist 15 bis 20 Prozent mit Koji (ein Schimmelpilz) geimpft. Enyzme spalten die Reisstärke zu vergärbarem Zucker. Wie bei der Bierherstellung werden nun Wasser, Hefen und der Reis miteinander eingemaischt. Aber wie lange dauert nun der Gärvorgang? Welche Temperatur hat die Maische dabei? Wird der Sake am Ende mit Alkohol aufgespritet oder mit hartem oder weichem Wasser verdünnt? Was für ein spezieller Koji wurde verwendet? „Das alles beeinflusst den Geschmack“, so Yoshiko Ueno-Müller, die hinzufügt, dass außerdem die Trinktemperatur eine Rolle spiele. Japaner kennen deshalb neun Zonen (von 5 bis 55 Grad), in denen sie ihren Sake genießen. Ueno-Müller bevorzugt eine kühlere Variante zwischen „Hana-hie“ (10 Grad) und „Suzu-hie“ (15 Grad).
Reiswein-Varianten passen zu Fisch-Gerichten
Auch Anna Rupprecht, Chef-Sommelière des besternten Regensburger Sushi-Restaurants Aska bringt Reiswein eher leicht gekühlt auf den Tisch. Der Alkohol sticht hier nicht so hervor und die Feinaromatik des Sake tritt in den Vordergrund. „Der Fischgeschmack lässt sich damit gut hervorheben“, sagt die 30-Jährige. Zu einem Nigiri vom mageren Teil des Thunfischbauchs, dem so genannten Akami, passe allerdings eher ein fruchtiger Sake, zum fettigeren Otoro eher ein fülliger, leicht süßlicher Sake. Und zur Hummer-Miso-Suppe mit Algen und Frühlingszwiebeln darf es ein zarter, feinmineralischer Junmai Daiginjo aus Südjapan sein. Nicht umsonst hat Rupprecht seit neustem eine eigene Sake-Karte mit 24 Positionen auf die Beine gestellt.
Premium-Sake-Kategorien:
Es gibt sechs Premium-Sake Kategorien: Junmai Daiginjo, Daiginjo, Junmai Ginjo, Ginjo, Junmai und Honjozo. Die Sake der drei Junmai-Kategorien werden ausschließlich aus Reis und Wasser hergestellt. Bei den drei anderen Premium Kategorien darf eine geringe Menge reiner Braualkohol zugegeben werden. Dies hat keinen Einfluss auf die Qualität des Sake, sondern verändert den Charakter. Der größte Anteil der Sake-Produktion hat Non-Premium-Sake (Futsushu). Bei diesem Sake gelten die strengen Vorschriften der Premium-Kategorien nicht.
Fotos: Alex Koblinger, Ueno Gourmet, Michael Krug