Aufgrund einer Änderung des Verpackungsgesetzes sollen ab 2023 verstärkt Mehrwegoptionen angeboten werden. Es gibt bereits gute Lösungen, wie Mehrweg-to-go aussehen könnte, um Gäste mit neuen Angebotsformen zu begeistern, zu binden und zu gewinnen.
Als die Corona-Pandemie im März 2020 ausbrach und auch die Nürnberger Versicherung viele Mitarbeiter ins Home Office schickten, handelte Kasinoleiter Max Kellermann unverzüglich: Um für seine Tischgäste die Mitnahme von Mahlzeiten für zuhause zu ermöglichen, besorgte er mikrowellengeeignete Behältnisse von Curver. „Wir haben sie an die Mitarbeiter verkauft, die sie entweder im Tauschsystem wieder bei uns im Kasino abgeben oder als Aufbewahrungsbehältnisse behalten können“, erläutert Kellermann. Ein Pfandsystem konnte und wollte der Kasinoleiter nicht etablieren: „Das hätte in diesem Moment nur Kuddelmuddel gebracht.“
Ob Suppe, Salatbowl, Gulasch oder Dessert: Jede Komponente wird in eine Box gefüllt und an der Ausgabe in einer Kühlvitrine bereitgestellt. Kellermann hat mit dem Tauschsystem gute Erfahrungen gemacht: „Rund 10 Prozent der Mitarbeiter, die bei uns im Haus gearbeitet haben, haben auch Speisen für daheim mitgenommen.“ Das Tauschsystem soll künftig beibehalten werden: Kellermann schätzt, dass nach Abklingen der Pandemie bis zu 35 Prozent der rund 2.700 Mitarbeiter weiterhin tageweise im Home Office arbeiten könnten – mit Auswirkungen auf die Betriebsgastronomie. „Im Mehrweg-to-go-Geschäft sehen wir deshalb unsere Chance, die Tischgäste mit attraktiven Angeboten in hoher Qualität zu binden.“
Partner verringern den Aufwand
Auch Ralf Mandt und Michael Haupt, die Geschäftsführer der A & Z Foodmanufaktur, sind von Mehrwegsystemen überzeugt. Dies passt auch zu den Grundsätzen der Euro-Toques Deutschland, wo Michael Haupt die Funktion des Vizepräsidenten innehat. Bereits seit 2019 setzt
A & Z auslaufsichere Mehrwegbehältnisse mit Sichtfensterdeckel von Vytal ein. Für das Unternehmen ist wichtig, dass der Mehrweg-to-go-Kreislauf ohne Aufwand und reibungslos funktioniert: „Im Vytal-System werden die Behältnisse dem Gast per App oder Pfandkarte und QR-Code zugeordnet. Die Rückgabe kann bei uns oder bei jedem angeschlossenen Vytal-Partner erfolgen.“
Gut für die Umwelt
Für die hygienische Aufbereitung und Bereitstellung jedes Behältnisses verlangt die A & Z Foodmanufaktur eine kleine Verwaltungs- und Spülpauschale im Centbereich: „Das Mehrwegsystem ist dabei immer noch kostengünstiger als Einweggeschirr to go.“
Zudem hat die A & Z Foodmanufaktur Anfang 2020 die Produktion der Standorte Köln und Bonn auf komplett recycelbare Weckgläser mit wasserlöslichen Etiketten umgestellt. „Wir produzieren an zwei Standorten Kaltspeisen wie beispielsweise Salate und Desserts in Weckgläsern, die täglich frisch in unsere Betriebe geliefert werden. Vor Ort werden ebenfalls etikettierte Weckgläser eingesetzt, für warme Speisen wie Gulasch, Eintöpfe oder Braten. Sie können gegen Pfand vom Gast mitgenommen werden, auch für den Verzehr zuhause.“ Auf diese Weise hat die A & Z Foodmanufaktur im vergangenen Jahr rund 140.000 Weckgläser mit Salaten und Desserts befüllt, rund 18.000 warme Speisen kamen dazu.
Sodexo setzt auf dem Weg zu „Zero
Waste“ ebenfalls auf Mehrweg mit System und Pfand, darunter Weckgläser, Glasflaschen und Speisenbehälter aus 100 Prozent recycelbarem Polypropylen. Dass damit in erheblichem Umfang Einweggeschirr eingespart werden kann, zeigen die Zahlen: „Mit der Einführung des Recup-Pfandsystems für Kaffeebecher, beispielsweise an allen deutschen Standorten unseres Kunden Deutsche Telekom, konnten mehr als 30.000 Pappbecher eingespart werden“, erläutert Peter Theissen, COO Services bei Sodexo. Im Frühjahr 2021 folgte mit Rebowl das Mehrwegsystem für Speisen im Mehrweg-to-go-System: „Auch hier erwarten wir ähnlich hohe Einsparungen.“
Full Service schließt den Kreislauf
Sven Döding, Geschäftsführer von Mehrwegkonzepte, setzt auf eine etwas andere Strategie. „Wir verstehen uns als Dienstleister, der Veranstalter von Events, Caterer, Parks, Betriebsrestaurants und Gastronomen entweder mit käuflichem Mehrweggeschirr oder welchem im Pfandsystem ausstattet“, erläutert er. So hat das Unternehmen rund 10.000 Mehrwegboxen von Contacto Bander in Umlauf gebracht, für die eine an die Abnahmemenge gekoppelte Systemgebühr erhoben wird. Zudem fallen pro Behältnis 5 Euro Pfandgebühr für den Endkunden an. Was ursprünglich im Kinobetrieb mit Kunststoff-Getränkebechern und Popcorneimern begann, hat sich für Mehrwegkonzepte zu einem Full Service entwickelt, der neben der Beschaffung und Verteilung bzw. Rücknahme auch die Spüldienstleistung umfasst.
„Die hygienische Aufbereitung von Mehrweggeschirr ist ein sehr wichtiger zentraler und sensibler Punkt im Mehrweg-Geschirrkreislauf. Denn ohne HACCP-gerechte, professionelle Spül- und Auslieferungslogistik kann es niemals einen geschlossenen und hygienisch sicheren Kreislauf geben“, betont der Geschäftsführer.
Gegenwärtig werden die Mehrwegboxen deshalb deutschlandweit gesammelt, in einer zentralen Spülanlage aufbereitet und erneut ausgeliefert. Dies soll sich in Zukunft ändern: „Wir wollen regionaler werden, mehrere Spülzentren etablieren – vorausgesetzt, die Auslastung stimmt.“
Es geht alle an
Damit sich ein derartig geschlossener Mehrwegkreislauf rechnet, gilt es jedoch, Hindernisse zu überwinden: „Alle sollten den Mehrwegpfad einschlagen – vom großen Betrieb bis zum kleinen Café- oder Bäckereibetrieb.“ Noch immer sei viel Zurückhaltung zu spüren, so Döding. „Man fürchtet sich vor Mehraufwand.“ Demgegenüber stehe eine überwiegend positive Endverbraucher-Einstellung: „Gäste und Kunden finden Mehrweg einfach toll.“
Mehrweg-to-go steckt trotz allem immer noch in den Kinderschuhen. Wenn ein nachhaltiger Kreislauf in Schwung kommen soll, bedarf es auch des Bewusstseins, dass Mehrwegbehältnisse ordnungsgemäß behandelt und in den Kreislauf zurückgeführt werden müssen. „Wir rechnen bei unseren Mehrwegboxen gegenwärtig mit 20 bis 30 Prozent Schwund oder Defekten aufgrund unsachgemäßer Behandlung“, schätzt beispielsweise Döding.
Sand im Mehrweg-Getriebe könnte es auch geben, wenn Becher und Behältnisse für den Gast zum Objekt der Begierde werden und deshalb dem Kreislauf entzogen werden: „Originelles Branding weckt Sammelleidenschaft. Deshalb sollte bei Mehrweggeschirr immer Zweckmäßigkeit im Vordergrund stehen.“
3 Fragen an Christian Scheib,
Operations Manager von Aramark bei SAP in Walldorf
Sie wollen in den SAP-Snackbars künftig ganz auf Einwegverpackungen verzichten. Warum?
Nachhaltigkeit ist eines der wichtigsten Themen für Aramark und unseren Kunden SAP, auch in Bezug auf Verpackungslösungen. In unserem Kiosk-Konzept Bits & Bites setzen wir bei Verpackung und Logistik durchgängig auf umweltfreundliche Lösungen, wie Mehrweg-Pfandsysteme. Recycelbare Behältnisse können bei unseren Kunden zurückgegeben werden, nach der Reinigung werden sie wieder in Umlauf gebracht.
Gemeinsam mit dem SAP-Team Food Spaces planen Sie zudem einen zu 100 Prozent plastikfreien Kiosk. Wie soll er aussehen?
Neben Getränken in Glasflaschen und einer Candy Bar mit losen Süßwaren und Nüssen wollen wir weitere plastikfrei verpackte Produkte aus eigener Herstellung anbieten, wie Bruchschokolade, Kuchen und Torten aus unserer hauseigenen Konditorei, Energy Balls oder auch kalte und warme Snacks.
Was bedeutet dies für die Logistik?
Wir werden mit Lieferpartnern zusammenarbeiten, die Produkte nachhaltig herstellen. Wir verzichten auf Folien und Vakuumiergeräte. Für die Vorratshaltung kommen ausschließlich recycelbare Mehrweg-Edelstahlbehälter oder Gläser zum Einsatz.
Fotos: Aramark, Recircle, Recup