Marvin Böhm und Sören Herzig – so heißen die beiden Gewinner des ersten Vorfinales des internationalen Wettbewerbes „Koch des Jahres“ in Bremerhaven. Erstplatzierter war der Junior-Sous-Chef Böhm vom Drei-Sterne-Restaurant Aqua im The Ritz Carlton in Wolfsburg. Gleich hinter ihm rangierte Creative-Director Herzig vom Dots Establishments in Wien.
Marvin Böhm hat bereits in der mit drei Sternen dekorierten Schwarzwaldstube in Baiersbronn gearbeitet. Seinen Küchenstil beschreibt der 29-Jährige als „schlicht, futuristisch und elegant“. Inspirationen findet er immer wieder in der Kunst mit ihren vielfältigen Farben und Formen.
Sören Herzig war bereits in den Restaurants Amador in Wien und La Belle Epoque in Lübeck aktiv. „Individuell, kreativ, nachhaltig“ - so sieht der 28 Jahre alte gebürtige Cuxhavener seinen Küchenstil.
Böhm und Herzig setzten sich gegen Mario Aliberti (#Heimat im Badischen Hof, Bühl) und Holger Mootz (Weinhaus Uhle, Schwerin) durch. Außerdem schlugen sie Fabian Schröter (Hotel an der Wasserburg, Wolfsburg) und Michael Wankerl (Gerüchteküche, Graz) aus dem Rennen.
Der Ablauf des Live-Cooking-Wettbewerbes, der bereits zum fünften Mal ausgetragen wird, ist komplex. Doch gerade das macht seine Wertigkeit aus. Sechs Kandidaten treten in drei Vorfinalen gegeneinander an. Ihr Auftrag: Innerhalb von acht Stunden müssen sie ein Drei-Gänge-Menü für sechs Personen kreieren. Das darf einen Warenwert von maximal 16 Euro haben. Von den besagten acht Stunden entfallen fünf Stunden auf die Wettbewerbszeit; drei Stunden sind für die Vorbereitung am Vortag geplant.
Für das Vorfinale in der von der Fischwirtschaft geprägten Stadt Bremerhaven hatten die Veranstalter der spanischen Unternehmensgruppe Grupo Caterdata die Anforderungen noch einmal verschärft. Für die Vorspeise war eine Interpretation der nordischen Küche und für den Hauptgang ein Ganztieransatz aus Fisch gefragt; Fleisch war nicht zugelassen. Das Dessert musste aus den Hauptkomponenten Grieß, Alge und weiße Schokolade bestehen.
Bei allen Vorfinal-Veranstaltungen, so auch bei der in Bremerhaven, betreten die Köche im Abstand von 25 Minuten die Küche. Nach den acht Stunden Vorbereitungszeit stehen ihnen 15 Minuten „Servicezeit“ zur Verfügung, in der sie die Teller für die Juroren anrichten.
Um sich überhaupt für ein Vorfinale zu qualifizieren, mussten sich die Profiköche aus Deutschland, Österreich, der Schweiz und Südtirol in einem schriftlichen Vorentscheid behaupten.
Die Jury beim ersten Vorfinale war hochkarätig besetzt. Ihr gehörten unter dem Vorsitz des Drei-Sterne-Kochs Dieter Müller (MS Europa) an: Brian Bojsen (Brian´s Steak und Lobster, Hamburg), Miguel Contreras (Küchenchef TÜV Rheinland, Köln) und Ein-Sterne-Koch Daniel Dal-Ben (Restaurant Tafelspitz 1876, Düsseldorf). Weitere Mitglieder waren Zwei-Sterne-Koch Sebastian Frank (Horváth, Berlin), Maria Groß (MariaOstZone, Bischleben/Stedten) und Christian Lohse (Zwei-Sterne-Koch).
Ebenfalls mit von der Partie: Ein-Sterne-Koch Yoshizumi Nagaya (Restaurant Nagaya, Düsseldorf) und Jan Pettke (Scheck-In Kochfabrik, Achern; „Koch des Jahres“ 2017), ferner Martin Pirker (Pacojet AG), Dirk Rogge (Unilever Food Solutions) und Ein-Sterne-Koch Christian Sturm-Willms (Yunico, Bonn).
Für die beiden Bestplazierten führt der Weg im Oktober 2019 weiter zum Finale während der weltweit größten Ernährungsmesse ANUGA in Köln. Zuvor werden bei einem weiteren Vorfinale im November 2018 in Heidelberg und im Frühjahr 2019 an einem noch nicht bekannt gegebenem Ort die sechs Finalisten ermittelt, die auf der ANUGA um den Sieg ringen - im einzigen „Koch-des-Jahres“-Wettbewerb, bei dem der Titel aufgrund der Leistung vergeben wird, die in Echtzeit vorgeführt wurde.
Unter anderem zog die Kaitai-Show mit dem 200-Kilogramm-Thunfisch von Balfegó viele Blicke auf sich - und Besucher an. Gefangen wurde er südlich von Ibiza.
Für süße Momente wurde auf der Sweet Creative Stage gesorgt. Dort zeigten Mike Kainz aus dem Hamburger Restaurant Lakeside, Patissier des Jahres 2017, und die beiden Patissier-des-Jahres-Finalisten Yoshiko Sato (Basel) und Stephan Haupt (Heidelberg) ihr Können.
Vor allem jedoch kam während des Rahmenprogramms die so genannte Querdenker-Generation ausgiebig zu Wort. Die jungen Köche Sebastian Frank, Kirill Kinfelt vom Trüffelschwein in Hamburg, Fréderic Morel vom Se7en Oceans in Hamburg, Björn Juhnke vom HACO in Hamburg und Andreas Rehberger vom CINCO by Paco Pérez in Berlin diskutierten miteinander. Ein wichtiges Thema war die Frage der Nachwuchsgewinnung. Sebastian Frank bildet zwar nicht aus. Aber die Meinung des Kochs des Jahres 2011 und Europas Koch des Jahres 2018 ist trotzdem von großem Gewicht. Frank appelliert an seine Kollegen, sie sollten den Wunsch nach Work-Life-Balance ernster nehmen. Der sei in der jungen Generation weit verbreitet: „Diesen neuen Zeitgeist müssen wir akzeptieren, auch wenn uns das vielleicht nicht schmeckt.“ Mit Zuschlag beim Lohn lasse sich längst nicht mehr jeder Mitarbeiter locken. Vielmehr sei „innerhalb der Gastronomie mehr Aufgeschlossenheit für flexible Arbeitszeitformen“ erforderlich.
Trotzdem dürfe die Frage der Bezahlung nicht gering geschätzt werden, befand Andreas Rehberger. „Ich betrachte die Lohnentwicklung in unserer Branche mit großer Sorge“, sagte er. Denn die Löhne seien zu niedrig geblieben, um konkurrenzfähig zu sein.
Wie schwer es ist, aus den Bewerberinnen und Bewerbern die richtige Auswahl zu treffen, schilderte Kirill Kinfelt. Die TV-Kochshows führten zu völlig falschen Vorstellungen in den Köpfen vieler junger Menschen, klagte er. Und wie „wahnsinnig kompliziert“ die Nachwuchssuche ist, verdeutlichte ebenfalls Björn Juhnke. Er sprach von „wochenlangen Ausleseprozessen“ und formulierte: „Viele junge Menschen wollen in die Küche, aber viele junge Menschen haben dort einfach nichts zu suchen.“
Als Thema von wachsender Bedeutung sprachen die fünf Querdenker auch über No-Shows-Gebühren – also die Möglichkeit, Gäste bei Nichterscheinen in die finanzielle Haftung zu nehmen oder Reservierungen nur gegen Vorkasse vorzunehmen.
Fréderic Morel und Kirill Kinfelt („In vielen Ländern ist das Standard“) haben mit ihnen positive Erfahrungen gemacht; im Lokal von Rehberger wurden sie neu eingeführt: „Wenn ein größerer Tisch wider Erwarten leer bleibt, tut das richtig, richtig weh.“ Doch damit sich No-Shows-Gebühren durchsetzen lassen, ist nach Ansicht von Kirill Kinfelt mehr Solidarität unter den Gastronomen unabdingbar. „Zurzeit“, bedauert der Gastronom, „gönnen sich viele Kollegen nicht einmal die Butter auf dem Brot.“
Bild: Melanie Bauer Photodesign