Grillen ist mehr als nur die Nahrungszubereitung im Freien, Grillen ist zur Esskultur geworden. Und das neue Grillbewusstsein bringt auch neue Fleischzuschnitte auf den Rost.
In den vergangenen Jahren wurde aus dem Trend für viele ein Hobby, für manche sogar ein Lebensgefühl. Wer etwas auf sich hält, setzt auf hochwertige bis exklusive Grilltechnik und ebensolches Zubehör in endlos scheinenden Varietäten, die von der Marinierspritze über die Burger-Presse bis hin zu Pizzasteinen reichen. Grillstationen erreichen die Größe einer Küchenzeile und den Preis eines Gebrauchtwagens, natürlich durchdigitalisiert und steuerbar per dazugehöriger Smartphone-App.
Fleischbewusstsein
Grillseminare verzeichnen Tausende von Besuchern, Tendenz steigend. Damit ist auch das Bewusstsein dafür gewachsen, was auf dem Grillrost landet. Wobei dies nur bedingt heißen soll, dass ausschließlich ausgewählte Fleischteile und edles Gemüse über dem Feuer brutzeln, sondern dass die Grillfans experimentierfreudiger geworden sind. „Wenn man sich einen Grill für 3.000 Euro zugelegt hat, dann sind die Würstchen aus dem Discounter nicht mehr der adäquate Sparringspartner. Man will Neues, arbeitet sich beispielsweise am amerikanischen BBQ ab. Und damit landen auch andere Fleischteile auf dem Grillrost oder im Smoker“, hat Dominik H. Rossbach festgestellt. Er ist Fleischsommelier und leitet die Steakschaft, die „Fleischerlebniszentrale“ des Metzgers Der Ludwig in Schlüchtern, eine Art Showroom für Fleischverrückte mit einsehbarer Reifekammer. Und er ist Kochbuchautor.
Steak ist nicht gleich Steak
Die amerikanischen Metzger zerlegen Rind und Schwein etwas anders als die deutschen. Tenderloin zum Beispiel ist die amerikanische Bezeichnung des Filets. Das Rumpsteak wird in den USA als Striploin bezeichnet, in England heißt es Roastbeef. Und dabei geht es nicht einfach um Synonyme in der Bezeichnung der Fleischteile, die Schnittführung beim Zerlegen ist eine andere. Und daraus entstehen Zuschnitte wie Hanging Tender oder Flank Steaks, die beim BBQ klassischerweise auf dem Rost landen. Oder das Skirt Steak, das Zwerchfell des Rindes. Teile, die die Deutschen eigentlich in den Schmortopf werfen oder durch den Fleischwolf drehen würden.
Natürlich hat sich in diesem Kontext auch das Qualitäts- und Ernährungsbewusstsein verändert, so Rossbach. Und die Zahl derer deutlich zugenommen, die wissen, dass Schwein nicht gleich Schwein ist, dass Iberico-Schweine zu Lebzeiten in Eichenhainen herumgelaufen sind, sich von Korkeiche und Steineichen ernährt haben und dass diese Mischung aus Freiluft, Bewegung und Ernährung deren Fleisch zu etwas ganz Besonderem macht. Dass das Mangalitza-Schwein eine Rasse ist, die ganzjährig, also auch bei Schnee und niedrigen Temperaturen, draußen aufgezogen werden kann, und dass dessen Fleisch einen Fettanteil von 65 bis 70 Prozent an der Gesamtmasse hat, wodurch das Fleisch besonders schmackhaft wird. Immerhin einige tausend Teilnehmer verzeichnete Rossbach in der Steakschaft bei Seminaren rund um Beef Tasting, Dry Aging, Burger-Herstellung und Winter-Grillen.
Klar, dass sich das auch in Gastronomie und Catering widerspiegelt: Köche suchen nach Neuem und zeigen sich dabei gegenüber Fleischzuschnitten wie Onglet oder Kachelfleisch, abseits der klassischen Edelteile, aufgeschlossen. Einerseits aus wirtschaftlichen Gründen, aber auch, weil sie überrascht sind, welche Qualität diese bisher unbekannten oder unterbewerteten Zuschnitte haben. Cooking + Catering inside zeigt auf den folgenden Seiten alte und neue Stars für den Grill-Rost und Smoker und Dominik H. Rossbach gibt Tipps für die Zubereitung.
Dominik H. Rossbach ist Fleischsommelier und leitet die Steakschaft, die „Fleischerlebniszentrale“ des Metzgers Der Ludwig in Schlüchtern.
Fotos: Dominik H. Rossbach/Steakschaft, Robert Gross, iStockfoto