Der Gast von heute ist anspruchsvoll. Er will nicht nur in einem angenehmen Ambiente speisen, sondern er will Essen erleben; er möchte wissen, wo die Zutaten für sein Gericht herkommen, sicher sein, dass sie frisch sind, erfahren, wie das Gericht zubereitet wurde. Optimal ist es, wenn er dabei auch noch einen Mehrwert in Form Unterhaltung bekommt. Diese Ansprüche kann das Konzept Frontcooking bedienen.
In der Konsequenz jedoch heißt das, dass beim Frontcooking nicht nur die Expertise der Köche gefragt ist, sondern auch Sozialkompetenz, ja, sogar gewisse Entertainment-Qualitäten. Das bedeutet, Frontcooking-Köche sollten mit den Gästen gerne in einen Dialog treten. Natürlich ist dieser Dialog abhängig vom Umfeld, in dem das Gericht für den Gast zubereitet wird. „Zum Mittagessen im Betriebsrestaurant ist weniger Raum für eine längere Konversation zwischen Gast und Koch als bei einem entspannten Abendessen im Restaurant“, weiß Bernd Trum, ausgewiesener Frontcooking-Experte. „In den Starklastzeiten im Betriebsrestaurant reicht es oftmals gerade für eine Begrüßung durch den Koch, dafür, eine Empfehlung auszusprechen bzw. zu informieren, was zubereitet wird. Dann sollte das Gericht auch schon servierfähig sein, denn hier sind längere Wartezeiten eher unerwünscht. Ist der zeitliche Rahmen entspannt, kann der Koch auch gern mit dem Gast plaudern, ihm erklären, was das Besondere dieses Gerichtes ist und warum der Gast sich dafür entscheiden sollte.“ Beim Frontcooking geht es um Emotionen und Unterhaltung, um bildhafte und positive Kommunikation. Es dreht sich auch um Authentizität, die durch den respektvollen Umgang mit Menschen sowie mit Lebensmitteln und Arbeitsgeräten zum Ausdruck kommt.
Bernd Trum ist davon überzeugt, dass grundsätzlich jeder Koch und jede Köchin im Frontcooking eingesetzt werden kann – wenn der- oder diejenige den Umgang mit anderen Menschen mag. Das zeige die jahrelange Praxis. Er fügt hinzu: „Wir haben zum Beispiel in der Gemeinschaftsverpflegung und Systemgastronomie sehr gute Erfahrungen mit Branchenfremden gemacht: Je systemischer eine Gastronomie ist, desto eher können beim Frontcooking auch Branchenfremde eingesetzt werden.“
Doch allein das Menschliche reicht nicht, soll der Einsatz von Frontcooking erfolgreich und wirtschaftlich rentabel sein., weiß Trum. Ebenso wichtig sind genaue Planung, Prozessanalyse, Vorbereitung und die Sicherstellung des Warenflusses. Denn es gilt, dem Gast das Gericht möglichst zügig und ohne kulinarische Einbußen zu präsentieren. Und weil die Zubereitung trotz allen Entertainments flott gehen soll, bekommen die Gäste meist nur die letzten Zubereitungsschritte zu sehen. „Das Schlimmste, das einem Frontcooker passieren kann, ist, dass er in Hektik gerät“, sagt Bernd Trum. Einige Zutaten sind aus, und der Nachschub klappt nicht? Die Zubereitungszeit ist zu lang, die Schlange der Gäste ebenso, deren Geduld hingegen wird weniger? Trums Rat: Prozesse entzerren. „Da ein Koch in der Regel ungefähr die Zahl der zu erwartenden Gäste kennt, sollte er im Vorfeld genau planen, welche Handgriffe er im Frontcooking zeigt. Hat das Gericht mehrere Komponenten, sollte er auswählen, welche er vor dem Gast zubereitet und welche er als Selbstbedienung bereitstellt.“ Trum erklärt: Ein Koch am Frontcooking-Counter kann im Durchschnitt in der Stunde 100 bis 160 Gerichte zubereiten und an die Gäste ausgeben. Bei genannten schlanken Prozessen können dies sogar bis zu 300 sein, beispielsweise wenn er Cook & Chill sinnvoll einsetzt. Er gart Fleisch oder Komponenten mit längeren Garzeiten beispielsweise durch Sous-vide vor, sie bekommen dann am Frontcooking-Counter nur noch Röstaromen oder werden gefinisht. Und dann stoßen Frontcooker auch bei 1.000 und mehr Gästen nicht an ihre Grenzen. Lediglich die Zahl der Frontcooking-Counter muss dann noch angepasst werden.
Das Frontcooking-Spektrum ist mit Blick auf die Speisen nahezu unerschöpflich. Klüh Catering zum Beispiel setzte im Frühjahr in seinen Betriebsrestaurants auf Gerichte aus der Welt der touristischen Seefahrt. Dabei kooperierte der Caterer mit TUI Cruises und der Sea Chefs Holding. Die Kernfrage lautete, was in den großen Kreuzfahrthäfen dieser Welt serviert wird. Und so gab es dann aus New York Buffalo Chicken Wings mit Coleslaw und Steakhouse Fries, das karibische Pepperpot Stew „Barbados“ mit Süßkartoffel-Püree, aus Spanien die klassische Paella mit Meeresfrüchten, das in Dubai beliebte Yassa-Huhn mit Zitronensauce und Bulgur-Minzsalat sowie aus Singapur Noodles mit Räuchertofu. Manche Ernährungstrends scheinen maßgeschneidert für das Frontcooking zu sein. Das trifft beispielsweise auf die Bowls zu: Diese Schüsselgerichte kamen in den Betriebsrestaurants der Wisag Catering groß heraus. Unter dem Motto „Local Superfoods“ wurden vor den Augen der Gäste kreative Gerichte gezaubert. Alle Zutaten des Gerichts wurden in der Bowl übereinander geschichtet: Den Sattmachern wie Nudeln und Hirse folgten Fleisch, Fisch, Geflügel, Gemüse, Salat oder Obst. Toppings mit Nüssen, Kräutern und Samen vollendeten das Gesamtwerk.
Tut sich ein Gastronom oder Caterer mit dem Einsatz von Frontcooking schwer, kann die Front Cooking Academy unter dem Dach des Institute of Culinary Art (ICA) Nachhilfe leisten; Bernd Trum leitet sie. Diese Einrichtung bietet neben Seminaren im ICA-Traningszentrum auch Inhouse-Trainings und Konzeptentwicklungen an.
Bild: Bernd Trum
Praxisbeispiel: Uni Oldenburg - Frontcooking in der Mensa
„Unsere Mensen und Cafeterien sind zugleich ein wichtiger Ort der Kommunikation auf dem Campus“, erklärt Hochschulgastronomie-Leiterin Doris Senf vom Studentenwerk Oldenburg. Zwölf Einrichtungen an vier Standorten werden betreut; die haben knapp 2.700 Plätze. Frontcooking ist aus Sicht der Hochschulgastronomie ein Mosaikstein, mit dem die Aufenthaltsqualität erhöht, die Atmosphäre verbessert und die Transparenz unterstrichen wird, auf die das Studentenwerk Oldenburg so großen Wert legt. Die Studierenden wollen „modern und abwechslungsreich versorgt werden“, weiß Doris Senf. Viele von ihnen möchten außerdem genau wissen, woher das Essen stammt, das sie zu sich nehmen. Und wenn sie – wie beim Frontcooking – im Detail verfolgen können, wie das Essen zubereitet wird und sich dabei auch noch gut unterhalten fühlen - umso besser. „Die Reaktionen unserer Gäste auf Frontcooking sind rundherum positiv oder sogar begeistert“, so Senf.
Beim Frontcooking liegt der Schwerpunkt des Studentenwerks Oldenburg auf der Mensa Uhlhornsweg in Oldenburg mit mehr als 800 Plätzen. Hier wird die Essensausgabe im Mensabereich durch das so genannte Culinarium ergänzt. Wer im Culinarium speist und dabei die Frontcooking-Angebote nutzt, muss etwas mehr bezahlen. Doch die Bereitschaft dazu ist nach den Erfahrungen von Doris Senf durchaus vorhanden.