In Heft 4 haben wir die provokante Frage gestellt: Gibt es eigentlich eine Deutsche Küche? Köche aus den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands sprachen mit Cooking + Catering inside darüber, was für sie Deutsche Küche ist und was die Küche ihrer Region ausmacht. Hier nun Teil 2.
Es gibt in Deutschland viele Regionalküchen. Sie haben sich im Laufe der Jahre rund um die jeweils verfügbaren Produkte in einer Gegend entwickelt. Jede Region, auch einzelne Städte, haben ihre eigene Küche hervorgebracht. Diejenigen, die hier groß geworden sind, sind mit typischen Gerichten aufgewachsen. Und in Norddeutschland sind dies andere als im Schwabenland, in Sachsen oder in Franken. Im Zuge des aktuellen Trends zu regionalen und saisonalen Produkten werden regionale Speisen und Spezialitäten immer weiter gepflegt und entwickelt oder wiederentdeckt. Etwas, das sich die Euro-Toques schon vor Jahrzehnten in ihre Satzung geschrieben haben.
Andreas Schreiner, Inhaber Schreiners Essen + Trinken, Bochum
Die traditionelle Küche des Ruhrgebiets ist nahrhaft und deftig. Sie sei so schnörkellos wie sie selber, sagen die Menschen, die dort leben. Da wären Eier in Senfsoße zu nennen, einfach, preiswert, pikant durch ordentlich Senf. Oder Himmel und Erde. Der deftige Klassiker aus Stampfkartoffeln und Apfelmus wird mit gebratener Blutwurst und gerösteten Zwiebeln serviert. Oder auch Kartoffelsuppe mit Fleischwurst oder mit Räucherlachsstreifen. Pfefferpotthast, ein würzig-scharfer Fleischtopf aus Rind, Kaninchen oder Kalb, mit viel Zwiebeln und frisch gemahlenem Pfeffer. Dazu gibt es klassischerweise Salzkartoffeln und Gewürzgurken. Auch die Schnibbelbohnensuppe ist hier zuhause, eine schlichte, aber köstliche Spezialität mit frischen grünen Bohnen und Mettwürstchen. Oder auch das Stielmus, eine Beilage zu Fleischgerichten aus Blattstielgemüse von Mai- und Herbstrüben.
Mitten im Ruhrgebiet liegt Bochum, und im Südwesten von Bochum das Schreiner‘s Essen + Trinken. Die Produkte für seine Küche, die sehr gemüsebetont ist, bezieht Andreas Schreiner aus kleinen regionalen Betrieben. „Die Zusammenarbeit mit heimischen Anbietern von Lebensmitteln ist uns sehr wichtig“, sagt er. Viele von ihnen arbeiten nachhaltig, und das müsse man unterstützen, so seine Überzeugung.
Dirk Melsheimer, Inhaber Boutique Hotel Villa Melsheimer, Reil
Das Moseltal, eingegrenzt durch Eifel und Hunsrück, bietet die einmalige Produktvielfalt aus Fluss, Fauna und Flora. Ob Zander oder Hecht aus der Mosel, Damm- oder Schwarzwild aus eigener Jagd, oder eine Vielzahl von Gemüsen und Früchten von heimischen Bauern oder Fleisch von Rindern und Schweinen, die unter der Regionalmarke Eifel vermarktet werden. „Für uns Köche hier ist die Kunst, unsere Region mit Zubereitungsweisen der ganzen Welt und auch Produkten von überall her zu kombinieren. Das verstehen wir auch unter Cross-Over-Küche“, sagt Dirk Melsheimer. Da die Mosel im Laufe der Zeit von einem bäuerlich geprägtem Landstrich sich immer mehr in eine touristische Top-Destination gewandelt habe, hätten sich auch unzählige Küchen-Stile etabliert. „Diese zusammenfassend zu beschreiben, ist nicht möglich. Aber wir können sagen, dass sich der Küchenstil sehr zum Wohle der Gäste verändert hat, und es auch weiterhin tut.“ Und so habe man sich weniger auf die regionale Küche fokussiert, sondern vielmehr auf regionale Zutaten und Produkte. „Wir bevorzugen Gemüse vom DRK Sozialwerk aus Bernkastel: Schweinefleisch mit der Regionalmarke Eifel, auf unserem Frühstücksbuffet steht Honig der Dachmarke Mosel und wir verarbeiten das Original Eifeler Ur-Lamm. Soweit wir können, versorgen wir uns mit Kräutern, Erdbeeren, Rharbarber, allen Beeren, Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Weinbergspfirsichen, Quitten aus unserem eigenen Garten“, führt Melsheimer aus. Typische Gerichte damit sind beispielsweise Zander auf Gräwes (Kartoffelpüree mit Sauerkraut vermischt), Döppekooche (Kartoffelauflauf), sauer eingelegte Moselfische wie Rotaugen oder Wildpfeffer (Wildragout mit frischem Blut gedickt). Für die Besucher erschließt sich Küche dieser Region am ehesten auf den zahllosen Straßenfesten der Mosel.
Ralf Achilles, Inhaber Restaurant Schönblick, Woltersdorf
Brandenburg, das Land im Nordosten Deutschlands, bietet eine Menge Fisch (Hecht, Zander, Aal und Karpfen) aus zahlreichen Seen, Wild und Pilze aus den Wäldern. In dem kargen, sandigen Boden gedeihen Kartoffeln sehr gut. Naheliegend, dass Ralf Achilles Wild, Pilze und Kartoffeln als Zutaten für den Wildschweinburger mit Pilzen und Reibekuchen ausgewählt hat. „Die Landwirtschaft ist in dieser Region prägend“, sagt Achilles. Es gibt einige Produkte, die über Brandenburg hinaus bekannt und beliebt sind: Achilles nennt die Spreewald-Gurken, Beelitzer Spargel oder Teltower Rüben. Die Menü-Karte des Restaurants wird zweiwöchentlich dem saisonalen Angebot angepasst, Produkte einbezogen, die vor der Haustür wachsen. Fleisch kommt nur aus der Region in Topf und Pfanne: Zicklein vom Oderbruch-Hof, Rindfleisch aus der Region Neuruppin, Wild(schwein) vom Woltersdorfer Jäger. Der Fisch wird von Fischer Rinast aus Strausberg gefangen. „Als Euro-Toques-Mitglied hab ich mich dem Fortbestand regionaler Produkte und der Wahrung kulinarischer Tradition verpflichtet. Das leben wir bei uns im Restaurant.“
Carsten Wulf, Küchenleitung Gast und Krankenhaus, Hamburg
„Moin Moin“ ist wohl der einfachste und bekannteste Gruß, der in der Hansestadt Hamburg von morgens bis abends durchaus salonfähig ist. So einfach und traditionell die Begrüßung. Die Hamburger Küche jedoch ist inzwischen alles andere als das, sondern äußerst facettenreich.
„Viele der heute als traditionell überlieferten Gerichte stammen aus den ärmeren Haushalten. In den Wohnungen und Buden der unteren Schichten gab es keine abgetrennten Küchen, sondern lediglich einen Feuerherd auf der Diele, und da das Feuerholz teuer war, wurde dieser nicht für das Kochen angeheizt. Warme Speisen waren entsprechend selten, und wenn, dann wurden sie oft als Eintopf zubereitet“, erzählt Carsten Wulf. Neben Fisch in allen Variationen und dem legendären Labskaus sind es besonders süße und süß-saure Gerichte, die „typisch hamburgisch“ sind. Oft wird mit Obst gekocht, wie etwa Birnen, Bohnen und Speck oder der Hamburger Aalsuppe (mit Backpflaumen, ohne Aal). Die frische gebratene Scholle „Finkenwerder Art“ mit Speckstippe nicht zu vergessen und als Dessert: Hamburger Rote Grütze mit Milch oder Vanillesauce.
Fotos: Shutterstock, Studio Schad, Carsten Wulf, Villa Melsheimer