Um Einklang und Achtsamkeit zwischen Mensch und Natur, um bewussten Genuss frischer und gereifter, auf den Punkt zubereiteter Lebensmittel - darum geht es im Sosein.
Das Sosein im fränkischen Heroldsberg, einer kleinen Gemeinde, etwa 10 km östlich von Nürnberg gelegen, hat eine ganz eigene Philosophie. Hier geht es um Einkehr. Um Zeit. Um Besinnung. An der Tür des Restaurants klingelt man. Wie bei Freunden. Und wie bei Freunden wird man an der Tür in Empfang genommen, per Handschlag. Man tritt über die Schwelle, kehrt ein ins Sosein. Inhaber Jens Brockerhof und Küchenchef Felix Schneider, beide Freunde seit der Ausbildungszeit, vermitteln im Sosein Wertschätzung, Respekt vor den Ressourcen, vor den Lebensmitteln, vor den Erzeugern. Und Respekt vor den natürlichen Abläufen. „Wir haben ein engmaschiges Netz aufgebaut, um Lebensmittel in bester Qualität bekommen zu können“, sagt Brockerhof. „Die Lebensmittel bekommen wir genau dann, wenn sie soweit sind.“ Schneider und sein Team suchen sich Produzenten aus der Region, deren Produkte dem qualitativen Anspruch der beiden gerecht werden können. Produzenten ihres Vertrauens, die für das Sosein auf Basis von Vereinbarungen produzieren. Züchter, Winzer, Bauern. „So sind wir auf der sicheren Seite - und können schon fast brutal regional arbeiten“, sagt Schneider und spielt auf die Prinzipien der New Nordic Cuisine an, die für die Küche des Sosein stilprägend ist. Das heiße aber nicht, dass man Zutaten ausgrenze, weil sie auf den ersten Blick nicht in den Regionalkontext passen. Es lohne, genauer hinzuschauen, denn nicht immer ist es so eindeutig, wie es scheint. Auch ein Emu-Ei kann regionaler Herkunft sein. Übrigens kommen die Zutaten nicht nur von externen Erzeugern, sondern auch aus Schneiders 1,4 ha großem Garten, der eigentlich schon fast ein Acker ist. Tomaten alter deutscher Sorten und Kartoffeln beispielsweise. Gesammelt wird auch: Pilze, Wurzeln, Kräuter oder Beeren aus Wäldern der Umgebung.
Das Restaurant Sosein, sein Konzept und seine Philosophie seien eine Herzensangelegenheit, erklärt Brockerhof. Doch das sei keineswegs mit einer Liebhaberei zu verwechseln. „Das Sosein denkt Tradition heute schon mit Blick auf die Zukunft. Regionalität und Saisonalität werden hier nicht nur im Munde geführt, sondern als Grundlage der Arbeit begriffen. Kurze Transportwege und ein feinmaschiges Netzwerk an Produzenten garantieren Lebensmittel in bester Qualität und machen die Region schmeckbar. Das Sosein ist für mich ein Projekt gegen die Konfektionierung von Lebensmitteln und damit gegen die Vereinheitlichung von Geschmack. Der Einklang und die Achtsamkeit zwischen Mensch und Natur weisen – ganz gegen den gegenwärtigen Zeitgeist – auf die Zukunft der Gastronomie.“ Brockerhofs Motto: „Etwas zu 100 Prozent tun oder es gleich sein lassen.“
Und das zeigt das Sosein. Es lenkt den Blick auf das Wesentliche: beste Qualität in bester Zubereitung. Präzise, pur, aromatisch. „Dabei geht es hier nicht um den Genuss angeblicher Luxusprodukte, sondern um den Luxus, frische und gereifte, auf den Punkt zubereitete Lebensmittel genießen zu können.“ Ganz bewusst. Wie die Kartoffeln aus Schneiders Garten. Geerntet zum richtigen Zeitpunkt. Gekocht, gepellt, auf den Teller und sofort zum Gast geschickt. Ohne dass sie noch eine Zeit lang lag. Ganz sie selbst, perfekt in Aroma, Geschmack, Konsistenz und Textur.
„Wir greifen nicht nur auf Produkte aus dem eigenen Garten zurück, um Gemüse jenseits einer Kühlkette zubereiten zu können, wir achten auch auf die Tiere, die wir zubereiten. Nur, wenn sie ein langes, artgerechtes Leben hatten, dürfen sie in unsere Küche kommen“, sagt Brockerhof. Und das gilt für Rinder und Schweine ebenso wie für Fische. Das Rinder- und Schweinefleisch reift übrigens trocken am Knochen im Keller des Sosein. „Eine aromatische Aufwertung des Fleisches“, wie Schneider sagt. Das erfordert natürlich Planung, denn nicht alle Teilstücke sind zur gleichen Zeit essbereit. „Wir versuchen, wirklich ganzheitlich zu arbeiten. Bei uns wird so gut wie nichts weggeworfen, und von einem Tier gar nichts“, sagt Felix Schneider. Auch Fett wird weiterverarbeitet. „Warum auch nicht?“, so Schneider: „Das Fett von einem Wagyu schmeckt wunderbar, buttrig-karamellig. Ein Frevel, dies wegzuwerfen. Das kann sehr gut für andere Gerichte eingesetzt werden. Die Schwarte von den Mangalitza-Schweinen kann man dämpfen, trocknen oder frittieren. Man kann sie für die Wurstherstellung verwenden. Die Möglichkeiten sind vielfältig.“
Die Speisekarte? Gibt es hier nicht. Es gibt das, was am frischesten und am besten gereift vorhanden ist – eine normale Form des Sosein, in täglichem Wandel begriffen. Den Gästen wird ein für die Saison geplantes und nach den Gegebenheiten des Tages aktuell abgestimmtes Menü serviert. Sehr regional, sehr fränkisch. Mit viel Authentizität, Bescheidenheit und vor allem Leidenschaft. Dabei werden vier Themen unterschieden, „wobei der saisonale Verlauf durch das aktuelle Wetter und nicht kalendarisch vorgegeben wird, die zeitlichen Hinweise sind daher nur als ungenaue Angaben zu verstehen“, sagt Schneider. Mitte Dezember bis Mitte April wird das Menü mit „Brachfeld & Einkehr“ beschrieben. Von Mitte April bis Mitte Juni heißt es „Sprießen & Blühen“, gefolgt von „Farben & Formen“ (Mitte Juni bis Mitte August) und „Vollreif & Vergehen“ (Mitte September bis Mitte Dezember). Innerhalb der Menüs, gerade in Herbst und Winter, sind auch das Einlegen und die Fermentation ein großes Thema.
Wie in jedem ambitionierten Restaurant spielt die Getränkebegleitung auch im Sosein eine besondere Rolle. Passend zum Stil der Speisen werden den Gästen unverfälschte und einzigartige Weine empfohlen. Oder aber der Gast entscheidet sich für eine Getränkebegleitung, die fein auf die Menüs abgestimmt ist; einem harmonischen Mix aus Weinen, Tees, Säften, Bier und Infusionen an.
Über ...
... Felix Schneider: Nach dem Abitur absolvierte er eine Ausbildung zum Koch, arbeitete dann als Demi Chef de Partie im Hotel Burg Wernberg, später als Chef de Partie, Souschef und dann Küchenchef im Restaurant Aumers la Vie. Seit 2015 ist er Küchenchef des Restaurants Sosein.
... Jens Brockerhof: Nach seiner Kochausbildung in Nürnberg und einem Abstecher in die Pariser Sternegastronomie begeisterte er sich für die Welt der Patisserie. Eine Ausbildung zum Konditor und zum Konditormeister folgten. Nun verbindet er beide Leidenschaften: Seit 2003 führt er vielfältige gastronomische Konzepte unter einem Dach zusammen. Alle drei Betriebe – Patisserie Tafelzier, Catering El Paradiso und Restaurant Sosein – wirtschaften nachhaltig.
Fotos: Sosein