40 Seconds steht für Premium-Event-Catering und gehobene Gastronomie, doch seit 2020 kocht das Berliner Unternehmen auch für Schulen, was eine deutliche Ausweitung des Geschäftsfeldes bedeutet, nicht aber Abstriche in Sachen Qualität. Im Gegenteil.
Als die Pandemie kam, war es ein Glück für uns, dass wir nun Schulessen produzieren dürfen“, erklärt Geschäftsführer Thorsten Schermall. Das mag zunächst irrwitzig klingen hinsichtlich der aktuellen schwierigen Catering-Situation in den Bildungseinrichtungen. Doch man muss es im Kontext sehen: Das Unternehmen 40 Seconds Berlin kommt aus einer noch viel mehr von der Krise geschüttelten Branche. Es ist seit fast 20 Jahren im Eventbereich aktiv, bekannt geworden unter anderem mit dem gleichnamigen Rooftop-Club (2004 bis 2016) am Potsdamer Platz. Der Name „40 Seconds“ leitet sich von der Länge der Fahrstuhlfahrt hinauf in die imposante Location ab. Dort betreibt das Unternehmen seit 2017 das mit einem Michelin-Stern ausgezeichnete Restaurant Golvet. Nicht minder spektakulär ist die eigene Eventfläche im Berliner Westhafen, das WECC (Westhafen Event & Convention Center) mit insgesamt 2.800 Quadratmetern zu bespielendem Innen- und Außenbereich. Dort richtete man 2019 rund 250 Veranstaltungen mit bis zu 1.500 Gästen aus. Hinzu kamen viele Veranstaltungen in weiteren eigenen Objekten (darunter zwei weitere Restaurants und eine Bar) sowie in Partner-Locations. 2020 war auch für dieses so fest im Sattel sitzende Unternehmen mit 120 Mitarbeitenden ein Gamechanger – das gesamte Eventbusiness implodierte pandemiebedingt quasi von einem Tag auf den anderen. Und das Schul-Catering half, die entstandene Lücke zu füllen. „Wir sind sehr froh, dass wir mit dem neuen Geschäftsbereich alle Mitarbeiter weiter beschäftigen konnten“, führt CEO Schermall weiter aus. Das Küchenteam konnte sich ganz in die neue Unit Gemeinschaftsverpflegung einarbeiten. Und wenn das Veranstaltungsgeschäft wieder losgeht, werde man das Team sogar aufstocken.
Erfahrung durch Versorgung von Geflüchteten
„40 Seconds Kids“ nennt sich der neue Geschäftsbereich. Im Januar 2020, kurz vor dem ersten Lockdown, bewarb man sich, um die große Küche im WECC unter der Woche besser auszulasten, an einer städtischen Ausschreibung für das Schul-Catering – das in Berlin seit jenem Jahr für die Klassen 1 bis 6 bekanntlich gratis ist, 40 Millionen Euro pro Jahr werden dafür zwecks Entlastung vor allem einkommensschwacher Familien bereitgestellt. Der Neuling im Schul-Catering erhielt den Zuschlag für elf Schulen, mittlerweile sind es zwölf. Ganz unbekannt ist diese Form der Gemeinschaftsverpflegung der Gruppe nicht. Schon von 2015 bis 2017 sammelte man damit Erfahrung, als man für die Geflüchteten, die in den Hangars des ehemaligen Flughafens Tempelhof untergebracht waren, bis zu 4.000 Essen zubereitete, dreimal täglich. 4.000 Essen ist auch die aktuelle Kochkapazität vor Ort im Westhafen, wären die Schulen bereits wieder im Normalbetrieb – derzeit schickt man rund ein Drittel täglich. Immerhin. Und ohne weitere Aufstockung von Personal (in der Küche zurzeit 10 Mitarbeitende) und Equipment könnte man die Leistung bis auf 7.000 Essen steigern. Mittel- bis langfristig sind aber noch weit geplant, ebenso der Aufbau einer externen Produktion geplant. Schermall: „Unser Ziel ist, die Abteilung weiter auszubauen und auch mit privaten Schulträgern zu arbeiten. Vielleicht gehen wir irgendwann auch ins Senioren-Catering.“
Keine Kompromisse bei Der Qualität
Drei große FlexiChefs (MKN) der neuesten Generation mit je 150 Litern Kapazität bilden das Herz der Produktion, Rezepte und Ablaufprogramme lassen sich per Touchscreen ganz einfach hinterlegen. Die tägliche Produktion – beim Redaktionsbesuch wird gerade eine vegetarische Linsen-Bolognese gekocht – kommt in mehrere Schockkühler und wird auf vier Grad heruntergekühlt, ausgeliefert wird ausschließlich per Cook-&-Chill-Verfahren – abends oder ganz früh morgens. Auf diese Weise gerät man weder in den morgendlichen Berufsverkehr noch sich vor Ort mit Schülern in die Quere. Und weil ein Dreieinhalbtonner die komplette Tour in einem Rutsch abfährt, ist auch kein Ausschwärmen mehrerer Fahrzeuge nötig. Und auch der Güte der Speisen sei dies zuträglich, dass vor Ort zur Mittagspause regeneriert und nicht warmgehalten wird, so Küchendirektor Holger Wewer: „Eine Warmanlieferung verträgt sich nicht mit unserem Qualitätsverständnis. Wir haben ja den Vorteil, dass wir unsere Skills aus dem Veranstaltungsbereich ins Schul-Catering einbringen können.“ Diese Skills bestehen aus vielen kleinen Details: So wird parallel zu jeder Speisenlieferung auch ein Anrichtefoto ans Team in den Schulen geschickt – ein hübsches Plating sollen auch die Schulkids bekommen. Täglich melden die Mitarbeitenden in den Schulen ihren Report zurück an die Küche – und man gibt den Schülern die Möglichkeit, etwaige Beschwerden oder Speisewünsche über Bögen oder direkte Ansprache durchzugeben. „Beim ersten orientalischen Rindergulasch mit Kichererbsen zogen viele Kids die Augenbrauen hoch“, erzählt Wewer, „aber wir wussten: Das ist ein sehr gutes Essen, da muss man etwas Geduld haben. Jetzt funktioniert es sehr gut.“
Eigener Anspruch vs. behördliche Anforderungen
Es ist ein Spagat zwischen Kundenorientierung, wie man ihn aus dem Kerngeschäft kennt, und hohen Vorgaben, die zu erfüllen sind: Bei Desserts, die nunmehr nur noch maximal sechs Prozent Zuckeranteil haben dürfen, dauert es, bis sich die an süßen Fertigjoghurt gewohnten Schülerzungen an frischen, weniger süßen Quark gewöhnt haben. Und einem Sekundarschüler pro Tag im Schnitt 200 Gramm Gemüse zu servieren, ohne dass davon ein großer Teil zurück und in die Tonne geht, sei durchaus herausfordernd, so Wewer – was man mit einem erhöhten Rohkostanteil allerdings gut hinbekomme. Die geforderte Bio-Quote übertrifft man mit 40 Seconds Kids als biozertifiziertem Unternehmen – die Sättigungsbeilagen sowie Obst, Gemüse, Milch und Fleisch sind schon deshalb fast immer in Bio-Qualität, weil eine einheitliche Dokumentations- und Nachweispflicht einfacher umsetzbar und dann günstiger ist als bei gemischten Produkten. Wewer: „Der geringere Aufwand trägt die Mehrkosten beim Wareneinsatz“.
Der beste Qualitätsbeweis: Die produzierten Speisen gehen nicht nur in die Schulen, sondern werden auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Gruppe gerne verzehrt – im Büro der Geschäftsführung ebenso wie in der Küche des Sternerestaurants, während dort tagsüber das abendliche Fine-Dining-Menü vorbereitet wird. Das Schulessen ist somit auch das Personalessen.
Foto: 40 Seconds, Darius Ramazani