Köche und Gastronomen engagieren sich zunehmend gegen die Verschwendung von Lebensmitteln in ihren Betrieben. So greift beispielsweise das Prinzip, wonach von einem Tier längst nicht nur die Filetstücke verwendet werden sollten, unter professionellen Gastgebern weiter um sich. In seinem Café „Isla“ in Berlin-Neukölln will Inhaber Peter Duran diesen und andere Ansätze weiter entwickeln und auf die Spitze treiben. Er macht nach eigenem Bekunden, zusammen mit seinem Gründer-Kollegen Philipp Reichel, ernst mit den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft – und das überzeugte nun ebenfalls die Jury des Deutschen Gastro-Gründerpreises. Der wurde Duran und Reichel während der Fachmesse Internorga verliehen. Die Jury lobte ein „unprätentiöses Unternehmenskonzept, das vorbildhaft Genuss mit reduziertem ökologischen Fußabdruck und fairem Handel lebt“.
Peter Duran betont: „Bei uns wird alles verarbeitet und nichts weggeworfen.“ Die verwendeten Produkte durchlaufen im Kreislauf verschiedene Verwertungsstufen und Einsatzgebiete. Als Beispiel nennt der Chef die Milch, die beim Aufschäumen von Kaffeespezialitäten übrig bleibt und aus der sich Joghurt und Ricotta herstellen lassen – für Müslis und Sandwiches.
Ein anderes Beispiel ist das Mobiliar. Das wurde von einer Tischlerei komplett auseinandergenommen, für die Bedürfnisse des „Isla“ wieder anders zusammengesetzt und hochwertig versiegelt.
Doch Exempel für praktizierte Kreislaufwirtschaft gibt es noch viel mehr. So stammen die Kaffeetassen und Untertassen aus gepresstem Kaffeesatz: Sie sind erstaunlich leicht und „unkaputtbar“. Der Kaffee selbst wird – ebenso wie Tee und Kakao – fair und transparent angebaut. „Schließlich sollen die Lieferanten ebenso ein Auskommen finden und von ihrer Arbeit leben können wie wir“, meint Duran.
Eine der Spezialitäten des Hauses ist der Croissant-Brot-Pudding. Gewonnen wird er aus Produkten, die in den meisten anderen Cafés in der Tonne landen: Aus Backwaren und Milchresten der Woche, die nicht verwertet wurden, wird eine Creme gefertigt. Garniert wird sie mit kandierten Schalen von wiederverwertetem Obst. Andere Spezialitäten aus Lebensmittelresten sind beispielsweise Spinat-Ricotta-Pfannkuchen und Kicherebsen-Patties. Peter Duran: „Lebensmittelreste sind nämlich kein Müll!“
Die Prinzipien der Kreislaufwirtschaft und qualitativ hochwertige Gastronomie – sie schließen sich nicht aus, versichert Peter Duran. Deshalb findet sich im „Isla“-Keller eine Osmose-Anlage, die dem Berliner Wasser den Kalk entzieht. Es folgt eine Remineralisierung mit Hilfe eines Kartuschensystems. Und im Sinne der Kaffee-Qualität ist es außerdem, dass die saisonalen Blends etwas heller als andere Spezialitätenkaffees geröstet werden. Grund: Durch das Rösten werden Duran zufolge Säure und Aromen abgebaut. Geschmack ginge verloren und Rauch werde gewonnen. Viele Gäste verbinden nach Auffassung des Gastronomen den Kaffeegeschmack mit dem Rauchigen. Im „Isla“ werde ein Mittelweg angestrebt, so dass die Gäste mitbekämen, dass sie es mit keinem konventionellen Kaffee zu tun hätten.
Kreislaufwirtschaft in der Gastronomie – es handelt sich um eine betriebswirtschaftlich sinnvolle Maßnahme des Wareneinsatzes. Doch man nimmt Peter Duran ohne weiteres ab, dass er nicht nur aus diesem Grund das „Isla“ auf den Weg gebracht hat. Der US-Amerikaner hatte in Utrecht in den Niederlanden Sustainability Sciences/Nachhaltige Entwicklung studiert und in Amsterdam als Nachhaltigkeitsmanager gewirkt. Vor vier Jahren war der Koch und Barista in die Bundeshauptstadt gezogen. Im „Kaffee 9“ hatten sich Duran und Philipp Reichel kennen gelernt. Reichel betreibt gleichzeitig eine eigene Kaffeerösterei.
In der Gastronomie lassen sich eine Kreislaufwirtschaft und ein Fair-Trade-Ansatz leicht umsetzen und für den Gast erlebbar machen. Davon sind Peter Duran und Philipp Reichel fest überzeugt. Deshalb planen sie ein Franchise-Konzept für das Isla.
Mit dem Deutschen Gastro-Gründerpreis wurden aber noch vier weitere Betriebe geehrt. Für die Eröffnung der ersten Mezcalería in Österreich wurden Ursula Varela Leyva, Alberto Ortega Cesena und Daniel Varela Leyva vom „El Feo“ in Wien ausgezeichnet. Mit Mezcal betritt das Trio in der Alpen-Republik sozusagen Neuland, denn diese mexikanische Spirituose ist dort nahezu unbekannt. Anstatt der bekannten Mezcal-Variante Tequila stehen auf der Getränkekarte des „El Feo“ mehr als 20 erlesene Mezcales mit Geschmacksnoten von erdig bis fruchtig.
Ein weiterer Preis ging an das Konzept des Nudel-Bistros „Freigeist“ in Überlingen am Bodensee, das im Juli 2018 seine Pforten öffnen soll. Hier werden ausschließlich Menschen mit kognitiven Schwächen beschäftigt, die sich Rezepturen und Zubereitungsschritte schwer merken können. Die Gründer Michael Thieke und Reinhard Wein setzen auf Front-Cooking. Dabei wird die Speisezubereitung vor den Augen der Gäste durch moderne Multimediatechnik erleichtert.
Das japanische Reis-Sandwich Sandoichi ist – an den europäischen Markt angepasst - die Spezialität des preisgekrönten Lokals „Sando & Ichi“ in Hamburg. Doch die Gründer Juuga Sakai und Jamin Mahmood haben noch Größeres vor. Unter dem Namen „Kojo People“ wollen sie nämlich ein Kreativhaus mit Gastronomie, Einzelhandel, Co-Working und Do-it-Yourself-Workshops schaffen. Das erste „Kojo-People-Kreativhaus“ soll noch 2018 eröffnet werden; bis 2023 sind sechs weitere geplant.
Mit dem Deutschen Gastro-Gründerpreis können sich ebenfalls Burhan Schawich und Samet Kaplan „schmücken“, die mit ihrem „Underdocks“ in Hamburg nach eigenem Bekunden die Fischbude retten wollen. Schnell und zugleich stilvoll sollen maritime Köstlichkeiten die Teller füllen – von Pulled Lachs Roll, Ceviche bis hin zu Backfisch & Chips. Dabei dürfe authentisches Hamburger Hafenflair nicht fehlen, das jung interpretiert werde.
Bild: Ben Mönks