Eigentlich sollte dieser Beitrag ein ganz „normales“ Unternehmensportrait werden. Doch wie könnte man dieser Tage ein Catering-Business vorstellen, ohne über das große Sorgenthema der Stunde zu sprechen?
Auch beim Münchner Business-Caterer Leonardi bedeutet die durch das Corona-Virus ausgelöste Branchenkrise ein derzeit nahezu komplett zum Erliegen gekommenes Geschäft. „Wir machen sonst rund 16.000 Essen pro Tag, zurzeit sind es nur rund 500“, erklärt Geschäftsführer Stefan Tschemernjak. Der 2008 gegründete Catering-Dienstleister – der Gründer und bisherige Geschäftsführer Thomas Kisters ist kürzlich auf eigenen Wunsch aus dem Unternehmen ausgeschieden –
hat 26 Betriebe und beschäftigt
450 Personen. Leonardi verfügt über zwei zentrale Produktionsstätten in der Stadt, mit eigener Bäckerei und Patisserie. Die Grundprodukte wie vegane, aus Hartweizengries hergestellte Pasta und Pizzateig werden täglich frisch in alle Betriebe geliefert – zumindest in „normalen“ Zeiten.
Wie geht man mit der Situation um? Tschemernjak: „Es ist natürlich extrem herausfordernd. Aber unser großer Vorteil ist, dass wir unter dem Schutzmantel der Compass Group sind. Das sichert uns Liquidität für die kommenden Monate.“ Der weltgrößte Catering-Anbieter Compass hat Leonardi 2017 gekauft und sich einen wichtigen regionalen Player im Premiumsegment ins Portfolio geholt. Leonardi sichert dies nun möglicherweise die Existenz. „Wir wollen grundsätzlich unser dynamisches Wachstum beibehalten“, erklärt der aus einer österreichischen Gastronomenfamilie stammende Unternehmensleiter, der viele Jahre für Mövenpick tätig war; zuletzt managte er die gastronomischen Betriebe im Audi Forum Ingolstadt.
Digitalisierung für mehr Service
„Leonardi 4.0“ heißt das Projekt, an dem man derzeit mit Hochdruck arbeitet: Digitalisierung überall dort, wo es sinnvoll ist, hat man sich zum Ziel gesetzt, um Ressourcen besser planen und die Servicequalität noch weiter steigern zu können. Denkt man beim Thema Digitalisierung oft an weniger Service, so soll es hier genau das Gegenteil erwirken. Beispiel: Im neuesten Betrieb des Unternehmens, dem Restaurant im Sky Tower, Teil der neuen Bavaria Towers im Osten der Stadt, können die Mitarbeiter der Büros per App die aktuellen Speisepläne einsehen und bezahlen. Je nach persönlichen Vorzügen bzw. bei Vorliegen von Unverträglichkeiten werden ihnen beispielsweise nur vegetarische/vegane Speisen oder solche angezeigt, die zu ihrem Ernährungsplan passen. Und nicht nur das: Ein eigenes Ampelsystem zeigt ihnen in Echtzeit auch, wie stark die Auslastung des Betriebsrestaurants (370 Sitzplätze) aktuell ist. Die Bezahlvorgänge im Restaurant und in den beiden Kaffeebars, die man hier auch betreibt, sind komplett bargeldlos – für Gäste hält man ein QR-Code-System bereit, sodass sich unkompliziert Sammelrechnungen erstellen lassen. Noch weiter soll es in Zukunft mit dem System „Dishtracker“ gehen: Per Kamerascan wird die jeweils ausgewählte Speise erkannt und vollautomatisch ans Kassensystem übermittelt – kontaktloser geht es kaum. Auch eine Besonderheit: Die Spülküche wurde an die Wirtshaus Dienstleistungs GmbH, die auch für das Hofbräuhaus tätig ist, ausgelagert. Was neben Platz und Betriebskosten auch CO2-Emissionen einspart, wie man uns wissen lässt.
Geheimtipp: Koreanische Küche
Wie die meisten Restaurants des Unternehmens Leonardi ist auch dieses öffentlich zugänglich, und speziell Fans der koreanischen Küche sollten sich diese Adresse merken. Denn hier gibt es auch eine ganze Food-Station mit entsprechenden Spezialitäten: Kimchi, Bibimbap, Bulgogi und vieles mehr stehen auf dem Speiseplan, sogar landestypisches Frühstück offeriert man. Der Grund: Das aus Korea stammende Unternehmen Samsung hat seine deutsche Hauptniederlassung von Eschborn bei Frankfurt nach München verlegt und ist einer der Hauptmieter in den Bavaria Towers. Dem Wunsch der Mitarbeiter (viele von ihnen stammen aus Korea oder haben koreanische Wurzeln) kommt man kulinarisch gerne nach. Für die herzhaft-deftige und oft scharfe Küche, die durch Fermentation erhöhten Vorbereitungsbedarf hat, konnte man sich entsprechend gut geschulte und erfahrene Köche aus der Gastronomie abwerben, berichtet Tschemernjak. Generell habe man wenig Probleme, gutes Personal für die Küche zu finden, erklärt er: Familien- und freizeitfreundliche Arbeitszeiten – kein ausgedehntes Abendgeschäft, kein Wochenenddienst – sorgen ebenso für Attraktivität wie ein gutes Salär sowie die Möglichkeit, viel frisch und qualitätsorientiert kochen zu können. Vornehmlich mit regionalen Lieferanten arbeitet man zusammen, zu diesen zählen unter anderem die Metzgerei Wieser, die Bäckerei Riedmair und der Molkereivertrieb Miesbach. Früchte und Gemüse werden, soweit möglich, ebenfalls von Erzeugerbetrieben aus dem Münchner Umland bezogen. Insgesamt liegt der Anteil bei Fleisch, Obst und Gemüse bei 92 Prozent Regionalität (unter 100 Kilometer).
Gutes Essen ist Wettbewerbsvorteil
Auch den Anteil rein pflanzenbasierter Speisen weiter auszubauen, ist ein Ziel des Unternehmens. Im Restaurant des Sky Tower hat man zu diesem Zweck – und als Anpassung an moderne Ernährungsbedürfnisse – einen rein vegetarisch-veganen Counter installiert, an dem vollwertige Hauptgerichte, Salate, Antipasti und diverse Toppings wie Leinsamen, Kürbiskerne oder Superfoods zur Verfeinerung angeboten werden. Für Unternehmen, die um gutes Personal miteinander im Wettbewerb stehen, werde frisches, gesundes und qualitativ hochwertiges Kantinenessen immer mehr zum differenzierenden Merkmal und zu einem Entscheidungskriterium für oder gegen einen Job, weiß Tschemernjak.
Event-Catering bietet
Leonardi ebenfalls an. Dafür nutzt man ausschließlich eigene Betriebe und Flächen wie das Arabeska im Arabellapark in München-Bogenhausen, die mit 600 Quadratmetern, 250 Sitzplätzen und einer maximalen Kapazität von 350 Personen auch als Event-Location für mittelgroße Veranstaltungen buchbar ist. Ebenso steht dafür das im vergangenen Oktober eröffnete Restaurant Konrad & Nemetschek in einem Bürohaus im ehemaligen Flughafen Riem, direkt an der Messe, zur Verfügung, welches rund 200 Sitzplätze hat. Hier ist auch der Bürositz von Leonardi. Man wolle das Event- und Messegeschäft zukünftig stärker ausbauen, kündigt Tschemernjak an. Eine Expansion in andere Städte (neben München ist man noch in Augsburg vertreten) ist indes nicht geplant: „Wir fühlen uns sehr wohl hier in München und werden auch hier bleiben.“
Foto: Leonardi