Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs (Procambarus Clarkii) ist ein wahrer Eroberer: Immer, wenn seine Nachkommenschaft zu zahlreich wird, macht sich der robuste Krebs in großen Gruppen auf den Weg, um neue Lebensräume zu besetzen. So geschehen im Sommer 2017, als das Tier – bevorzugt an Regentagen – in Scharen die Gewässer im Berliner Großen Tiergarten und im Britzer Garten verließ und dadurch die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich zog.
„Vermutlich ist der Krebs in den Berliner Gewässern heimlich ausgesetzt worden und konnte sich dort lange Zeit ungestört vermehren“, sagt Lukas Bosch, Geschäftsführer von Holycrab. „Denn diese invasive Krebsart, die eigentlich in den USA beheimatet ist, wurde aufgrund ihrer schönen roten Färbung primär im Aquarienhandel angeboten.“
Der Rote Amerikanische Sumpfkrebs breitet sich inzwischen auch in anderen Gegenden Deutschlands aus. Da er heimische Krebs- sowie Amphibien-, Fisch- und Weichtierarten verdrängt, sind gemäß EU-Verordnung 1143/2014 alle Bundesländer aufgefordert, seine Verbreitung durch geeignete Maßnahmen zu verhindern. Dazu zählt in den öffentlichen Gärten Berlins der Krebsfang durch autorisierte Fischer und mittels geeigneter Reusen.
Ein Amerikaner wird zum Berliner
Aus dieser Maßnahme zur Erhaltung des ökologischen Gleichgewichts hat das Berliner Food-Start-up Holycrab mit seiner Vision, invasive, essbare Tierarten auf der ganzen Welt zu Delikatessen zu verarbeiten, die Genießer auf den Plan gerufen.
Andreas Michelus, Gastronom und Holycrab-Mitgründer, erläutert, wie es dazu kam, dass aus dem Amerikaner inzwischen ein Berliner geworden ist, der nicht nur von Gourmets sehr geschätzt wird: „Unser Berlin-Lobster wächst in den Gärten Berlins in natürlicher Umgebung auf. Mit seinem zarten Aroma und seiner soften Konsistenz ist er nicht nur geschmacklich ein kulinarisches Erlebnis, sondern er trägt auch zur gesunden Ernährung bei. Daraus entstand unsere Idee: Wenn dieser rote Plagegeist uns plagt, warum essen wir ihn nicht einfach auf?“
Bei der Mittermeiers Hospitality Gruppe beispielsweise hat man das große Schlemmerpotenzial des kleinen, mit Scheren bewaffneten Eindringlings in heimische Gewässer schnell erkannt. Zur Gruppe gehört unter anderem das Boutiquehotel und Gourmetrestaurant Villa Mittermeier, Executive Chef Thorsten Hauk erläutert: „Für unsere gastronomischen Angebote sind wir laufend auf der Suche nach Mitteln und Wegen, uns in Sachen Nachhaltigkeit an vorderster Front zu positionieren. Zu diesem Zweck suchen wir immer wieder Zutaten, die in der heutigen Welt noch sehr schwer zu beschaffen sind. So beziehen wir beispielsweise unser Seafood aus regionalem Wildfang von Holycrab.“
Rezepte mit invasiven Arten
Holycrab unterstützt seine Gastronomiekunden jedoch nicht nur mit „heimischen Exoten“, sondern bei Bedarf auch mit hilfreichen Tipps und leckeren Rezeptvorschlägen: Zum Beispiel „Pasta Frutti di Plage“, das sind Linguine mit Krebsfleisch und einem Sud aus Krebskarkassen, oder auch „Crabelloni“: Spitzkohl-Cannelloni, die mit einem Salat aus Fenchel, Schalotte, Krebsfleisch und Aioli gefüllt sind.
Holycrab-Geschäftsführer Lukas Bosch möchte seinen Vertrieb von essbaren invasiven Arten weiter ausbauen. Seit dem vergangenen Herbst bietet er neben Seafood auch invasives Wild wie Nilgans und Nutria an, im Frühjahr werden die Küchenversuche auch mit invasiven Arten aus dem Pflanzenreich fortgesetzt. „Durch Globalisierung und Klimawandel stoßen wir auf viele neue Zutaten, die auf überraschende Weise Exotik mit Regionalität auf dem Teller verbinden – faszinierend, und außerordentlich schmackhaft.“
Foto: Holycrab