Das neue Restaurant Lieblingsplatz im Berliner Hotel und Kongresszentrum Estrel ist etwas ganz Besonderes: Es ist nicht für die Hotel-Gäste, sondern einzig und allein für die Mitarbeiter konzipiert.
Es geht auf die Mittagszeit zu. Langsam kommt Leben in das Restaurant Lieblingsplatz im Untergeschoss des Berlin-Neuköllner Estrel, dem mit 1.125 Betten größten Hotel Deutschlands. Immer mehr Gäste treffen ein, bedienen sich an den Food-Stationen und suchen sich anschließend einen Platz im freundlich-hellen, modern eingerichteten Gastraum.
Vier Restaurants hat das Haus bereits, dieses ist das neueste – und sein Publikum ist hoch-
exklusiv: Hier speisen nämlich ausschließlich die Mitarbeiter des Hauses. Deren Anzahl stetig steigt: „Wir haben schon fast 600, und bald werden es über 700 sein“, erklärt Personaldirektorin Annette Bramkamp. Schon allein deswegen sei die alte Kantine, die gerade einmal 36 Plätze bot (jetzt sind es 100), nicht mehr zeitgemäß gewesen. Aufenthaltsqualität habe sie auch nicht geboten: laut war sie, ungemütlich, eng und rein funktional – vorne wurde das Essen ausgegeben, hinten wurden die Tabletts abgestellt. Von „Kantine“ will Bramkamp denn auch nicht mehr sprechen: „Wir haben hier jetzt ein Restaurant, und unsere Mitarbeiter sind unsere Gäste“, erklärt sie.
Neue Spind-Anlage machte Umbau möglich
Die Möglichkeit, den vorher eher unwirtlichen Ort zu einem gastronomischen um- und auszubauen, ergab sich durch die Zentralisierung des „Estrel“-Umkleidebereichs: Vorher befand sich ein Teil der Umkleiden ebenfalls hier. Im Herbst 2018 wurde in einer ehemaligen Lagerfläche ein topmodernes, automatisches Lockersystem installiert – die Mitarbeiter fordern dort per Karte ihren persönlichen Kleidersack an und nehmen ihn mit in einen Umkleideraum, der mit beleuchteten Spiegeln und schicken Stühlen ein „gleich geht es auf die Bühne“-Flair verbreitet. Mit einer Kapazität für 1.000 Mitarbeiter ist der „Spind 2.0“ für die Expansion des Hauses – langfristig wird es durch einen weiteren Anbau über 2.000 Betten haben – gut gerüstet.
Zurück in die Ex-Kantine: Küchenchef Peter Griebel ist dazu gestoßen und erklärt das Küchenkonzept. „In allen Hotels, in denen ich bisher gearbeitet habe, wurde das Personalessen in der Produktionsküche mitgekocht und dann im Hotcar in die Kantine gebracht. So haben wir es hier bislang auch gemacht. Wir mussten alles lange warm halten und abschätzen, wie viele Mitarbeiter wann ungefähr kommen. Jetzt haben wir eine aktive Küche, können punktgenau kochen, auf die Frequenz reagieren und alles so frisch wie möglich anbieten.“
An diesem Tag gibt es Paprika-Gulasch vom Schwein mit Spirelli und Tomaten-Ebly mit Rucola-Pesto und Grillgemüse, hinzu kommen Tagessuppe, Büfettangebot, Salatbar und fertige Salate im Weckglas, Sandwiches und Bagels, Mini-Bouletten mit Kartoffelsalat und Desserts. Wasser, Tee und Brühkaffee gehen aufs Haus, Kaffeespezialitäten gibt’s zum kleinen Preis (60 Cent) aus dem Automaten. Zwei Mikrowellen stehen ebenfalls bereit – von zu Hause Mitgebrachtes darf gerne erwärmt und im Restaurant verzehrt werden. Wurden in der alten Kantine noch viel Plastik- und Einweg-Verpackungsmaterial verwendet, gibt es im Lieblingsplatz jetzt Weck- und Trinkgläser, Bowls und mit dem Restaurant-Namen gebrandete Kaffeebecher.
Die Küchentechnik, so Peter Griebel, gehöre zu den modernsten des Hauses: Herzstück ist ein modulares System von MKN, das zum Start mit zwei Kombidämpfern, Fritteuse und Grillplatte ausgestattet ist. „Da kommt sicher irgendwann auch ein Wok hinzu“, so Griebel. Das Buffet wärmen keine wassergesteuerten Chafing-Dishes, sondern kochaktive Thermoplates von Rieber. Griebel: „Die sind je nach Bedarf höhenverstellbar und wir können mit ihnen auch kochen.“ Pizza aus dem Ofen aufs Holzbrett, Hähnchen von Hand aufgeschnitten, frisch gebratene Gemüsespieße – all das sei bereits geplant und er freue sich schon darauf, den Mitarbeitern bald „ein sehr ordentliches Rindersteak“ anbieten zu können.
Echte Gastronomie statt Kantine
Das klingt nach echter Gastronomie und nicht mehr nach Kantine. Was auch der Gastraum widerspiegelt: Der punktet mit hellem Holz, Kräutern und Grünpflanzen, die aus Metallkörben hängen. An einer Wand befindet sich eine italienische Designtapete, formschöne Lampen hängen von der Decke. High-Tops, Einzeltische und der zentrale „Communication Table“ mit 16 Plätzen schaffen unterschiedliche Sitz-Situationen, die sowohl das alleinige ruhige Essen und Entspannen in der Mittagspause oder am Abend als auch das kommunikative Gespräch in der Gruppe möglich machen. Standen die Abräumwagen früher mitten im Raum, weist nun eine schicke „Return“-Neonröhre auf den optisch abgetrennten Bereich hin. Selbst bei den Fliesen hinter dem Küchtentechnik-Edelstahl hat man vom horizontal-waagerechten Weiß-Einerlei auf schräg verlaufende Kachelung in Pastellfarben umgestellt.
Es habe sogar schon Anfragen von Mitarbeitern gegeben, ob man die Fläche privat anmieten könne, berichtet Annette Bramkamp. Als „Hobby-Innenarchitektin“ hat sich die Estrel-Personalchefin das Grobkonzept für den Lieblingsplatz selbst ausgedacht. Via Pinterest (virtuelle Pinnwand) hat sie Ideen und Designs gesammelt und damit das ausführende Unternehmen (Edgar Fuchs, Aschaffenburg) gebrieft. Jetzt im Frühjahr wurde dann nach dreimonatiger Umbauphase eröffnet. „Wir waren uns unsicher, ob die Umstellung auf Selbstbedienung funktionieren würde. Aber dann dachten wir: Wir haben Tausende von Gäste oben im Bankett, die bedienen sich doch auch selbst. Wenn es bei denen klappt, warum dann denn nicht beim eigenen Personal?“, sagt Peter Riebel und lacht. Der Wechsel von Ausgabe auf SB steigere sogar der Qualität, hat er beobachtet: Durch Selbstentnahme fällt die Personalbindung weg, der zuvor damit beschäftigte Mitarbeiter hat nun Kapazitäten und Hände frei, um sich um Frische und Optik der Speisen kümmern zu können.
Abbuchung per Mitarbeiter-Karte
Zudem geht kein Bargeld mehr über den Tresen, auch dieser personalbindende Prozess fiel weg: Bezahlt wird von der Mitarbeiter-Karte, auf die sich bis zu 50 Euro aufbuchen lassen, an den Terminals an jeder Station, eigenhändig und auf Vertrauensbasis. Das klappe einwandfrei, so der Küchenchef. Zwei Preise sind an den Stationen zu sehen – einmal der für interne Mitarbeiter und einmal der (doppelt so hohe) für Externe. Ein Profit-Center wird der Lieblingsplatz mit Tagesgerichten inklusive Dessert für 3,30 (intern) sicher nicht, aber das ist auch nicht das Ziel. Sondern vielmehr, dass die Mitarbeiter-Gäste sich wohlfühlen. Was sicherlich dazu beitragen wird, dass sie gerne im Unternehmen sind und täglich ihr Bestes für den „echten“ Gast geben. (Fotos: Estrel)