Catering Inside - das Fachmagazin für die Branche

Der coronabedingte Shutdown hat vielen Catering-Betrieben von einem Tag auf den anderen das Geschäft quasi entzogen. Auch jenen auf der Plattform „Heycater!“. Die Notwendigkeit zum Umdenken brachte ein dauerhaft nutzbares neues Geschäftsmodell hervor.

Ein ziemlich hippes Gemeinschaftsbüro am Hackeschen Markt in Berlin. Die Geschäftsführerin der Hey Group GmbH, Therese Köhler, führt uns im Meetingraum durch eine Präsentation. Diese zeigt die Erfolgsgeschichte des Unternehmens: Gestartet 2015 mit der Idee, Unternehmen mit kleinen, innovativen Caterern aus Berlin und München – Food-trucks, Event-Köche, Gastronomiebetriebe – in Verbindung zu bringen, hat sich das Unternehmen zu einem echten Player gemausert. In 30 Städten ist man mittlerweile vertreten und hat über 3.000 Kunden aus dem B2B-Bereich.

Start-up-Spirit macht dynamisch
Der Onlinemarktplatz ist ein digitales Warenhaus geworden: Die teilnehmenden Caterer laden ihre Menüs und Leistungen hoch, interessierte Unternehmen können über die Plattform alles, was sie für ihr Event benötigen, abfragen – vom Food-Catering über Locations und Equipment-Supply bis zur Floristik. Dabei tritt Heycater! nicht als klassische Agentur auf, sondern vielmehr als technologischer Enabler. Eigene Veranstaltungen macht das Unternehmen nicht. Es vermittelt dafür aber umso mehr: Rund 4.000 Events waren es 2019. „Es lief super. 2020 wollten wir richtig durchstarten“, erklärt Köhler.
Dann kam Corona und Mitte März ein Einbruch ins Geschäft, den wohl niemand in dieser Form und Dramatik erwartet hätte. Das Telefon bei Heycater! stand tagelang nicht still, bei den Catering-Partnern türmten sich die Absagen. Die ersten Tage habe sie nicht wirklich verstanden, was da gerade passiere, erinnert sich die Unternehmerin. „Dann wurde mir klar: Das ist jetzt nicht nur ein paar Wochen so. Das wird sich das ganze Jahr hindurch ziehen. Wir müssen uns etwas überlegen.“ Mit Sparmaßnahmen, „cost cutting“ nennt die Start-Up-Welt dies, kennt man sich auch in diesem Unternehmen aus, das in seinen fünf Bestehensjahren immer wieder stürmische Zeiten erlebt hat.

„2020 wollten wir durchstarten ...“
Aber das allein baut ja kein neues Geschäft auf. Was tun? Da sei dem Management zugute gekommen, vor einigen Jahren mit den Investoren des Unternehmens ein Accelerator-Programm durchlaufen zu haben, bei dem es um Agilität ging: schnelle Anpassung an neue und sich immer wieder ändernde Gegebenheiten. Ein typisches Element agilen Arbeitens sind MVPs, „minimum viable products“. Schlank erstellte Produkte, die schnellstmöglich dem Kunden und dem Markt präsentiert werden: Sind sie inte-
ressant? Würden die Kunden das kaufen? Wenn ja, werden die gerade eben so marktfähigen Prototypen weiterentwickelt. Wenn nein, dann ist der „Flop“ aufgrund geringer Investition eigentlich gar keiner. Nächste Idee, bitte!

Catering fürs Homeoffice
Die Idee von Heycater!: Wenn niemand mehr im Office ist, also niemand mehr Office-Catering will und auch kein Event-Catering, wo sind die Leute dann? Zu Hause, im Homeoffice. Also: Warum nicht ein „Homeoffice-Catering“ auf den Weg bringen? Das kurzerhand, wir reden hier von wenigen Tagen im März, aufgegleiste MVP nennt sich passenderweise „Heykarantine!“.
„Die erste mobile Kantine für Dein Unternehmen. Eine Geschmacks-Revolution für Dein Homeoffice“, liest man auf der Website (www.heykarantine.de). Gelauncht weniger mit der Absicht, damit gleich Geld zu verdienen, sondern vielmehr die um ihr Geschäft gebrachten Berliner Catering-Partner zu supporten, hatte man dafür eine alte Idee – B2C-Lieferservice –
wieder aufgegriffen. Quasi über Nacht wurde von den eigenen Entwicklern eine Website programmiert, die im 90er-Jahre-Windows-Retrolook daherkommt: Darüber sollten Berufstätige, die von zu Hause arbeiten und Mittagshunger haben, aber keine Lust auf gängigen Lieferservice und keine Zeit fürs Kochen, sich etwas von den teilnehmenden Heycater!-Partnern bestellen können. Mahlzeit und Liefertag über die Website auswählen, bestellen, bezahlen und sich nach Hause liefern lassen. Sogar an die Möglichkeit einer Bezuschussung durch den Arbeitgeber wurde bei diesem Modell gedacht.
Alles super? Nicht ganz. Der Lieferservice ist bekanntermaßen ein hochkomplexes Logistikgeschäft. Für Caterer ist es sehr kleinteilig – viele Einzelbestellungen – und eine Herausforderung, was die Tourenplanung angeht: Schafft ein trainierter Radkurier eines großen Lieferdienstes mehrere Kunden pro Stunde, braucht ein Caterer, der eher gewöhnt ist, seinen Transporter einmal mit Speisen zu befüllen und zu einem Kunden zu fahren, dafür viel länger. „Es war ineffektiv. Zu viele Stopps, zu viel Aufwand“, so Köhler. Etwas Umsatz habe Heykarantine! zwar gebracht, sogar einige neue Kunden – doch kein dauerhaft tragfähiges Modell.

Virtuelle Kantine erschaffen
Also ein Flop? Nein. Denn die Idee, übers Internet bei den Partner-Caterern vorzubestellen und so Abwechslung in den Menüplan zu bringen, funktioniert umso besser, da die meisten Menschen aus dem Homeoffice ins Büro zurückgekehrt sind: Hier können Anfragen nämlich gebündelt werden, was die Effizienz maßgeblich steigert. Aus Heykarantine! wurde in der nächsten Iteration – so nennt man das in der Agilitätswelt – die „heykantine!“. Über ihren Mitarbeiterzugang bestellen sich Mitarbeitende mit einigen Tagen oder nur Stunden Vorlauf – diesen bestimmt der Caterer selbst –
Speisen ins Büro. Kollegen können sie per Teilen des Menülinks auffordern, sich der Bestellung anzuschließen. Das ist quasi die digitale und schnellere Variante eines mit der Pizzakarte und Bestellzettel durch die Räume laufenden Lunchinitiators. Ein Counter in der App zeigt an, wann die Mindestanzahl erreicht und eine Bestellung möglich ist. Die tägliche Frage „Was wollen wir essen?“ wird so um ein neues Angebot ergänzt – die virtuelle Kantine. Es sei vom Gefühl her auch wie eine Kantine, so Therese Köhler: Es gibt einen Wochenplan, das Unternehmen kann Speisen subventionieren – nur, dass eben keine Küche vor Ort vorhanden ist.
Obwohl: Selbst das bietet man unter dem Dach der Hey Group GmbH mittlerweile an. Ein großes Unternehmen, begeistert von den Caterings, die es über die Plattform gebucht hatte, hatte irgendwann angefragt, ob man nicht deren Kantine bespielen könne. Einen Vertrags-Caterer wollte es nicht beauftragen. Mit „heykitchen!“ baute die Hey Group eine clevere Lösung: Vor Ort stellt sie das Service- und Küchenpersonal und übernimmt das Finishing und die Ausgabe der Speisen, die wiederum von den Caterern produziert und angeliefert werden. So können die Unternehmen ihren Mitarbeitern ein immer wieder wechselndes Food-Angebot präsentieren. Für den Service- und Qualitätsstandard und den Look sorgt heykitchen!.
Kantinenbau und -konzeption – mit Begegnungsattraktivität und Erlebnisfaktor – ist so zu einem weiteren Baustein der Unternehmensgruppe geworden. Ebenso die neue Heykantine!-App, die wir uns zum Abschluss anschauen. Stolz sei sie auf ihr Team, das mitten im Shutdown alles gegeben habe, sagt Köhler. „Plattform, Events, Kantine und App: Jetzt haben wir ein komplettes Food-at-Work-Konzept. Ohne Corona hätte der Baustein App und Pre-Order ins Büro gefehlt. Langfristig wird es sich für uns auszahlen, dass wir so agil reagiert haben.“ Und ihre Entwickler haben sich, trotz Coding-Stress im Corona-Shutdown, sogar einen Spaß erlaubt: In der aktuellen Version ist neben der Food-Bestellung auch das Zocken des Kultspiels „Snake“ möglich.

Nächstes Ziel: Klimaneutralität
Jetzt arbeitet man mit Hochdruck am nächsten Ziel: Schon Ende 2020 soll das gesamte Catering-Angebot durch nachhaltige Verpackungen, die die Caterer auf der systemeigenen Einkaufsplattform beziehen können, zunehmend biologisches und pflanzenbasiertes Speisenangebot sowie CO2-Kompensation klimaneutral sein.

Foto: Shutterstock

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7. Januar 2016
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