Es hat sich längst herumgesprochen: Der Bereich Care-Catering wird weiter wachsen. Das ist vor allem der veränderten Demographie geschuldet. Eine gute Nachricht für die Care-Caterer. Aber der Markt hat seine eigenen Gesetze und ist sehr anspruchsvoll.
Dem Zukunftsmarkt Seniorenverpflegung stehen alle Türen offen“, bringt es Michaela Mehls, Pressesprecherin von Dussmann Service, auf den Punkt. Die Anteile der Bevölkerungsgruppen der über 65-Jährigen und der über 80-Jährigen wird deutlich ansteigen, so die Prognosen. Während der Anteil der über 65-Jährigen im Jahr 2016 noch 23 Prozent betrug, werden es 2030 in Relation zur Gesamtbevölkerung in Deutschland bereits über 29 Prozent sein. Bei den über 80-Jährigen wird es eine Entwicklung von 6,1 Prozent im Jahr 2016 zu einem Anteil von knapp 8 Prozent im Jahr 2030 geben. Die Politik geht davon aus, dass bis 2030 etwa 160.000 Pflegeheimplätze fehlen. Der Pflegereport 2018 von Terranus setzt deutlich höhere Zahlen an. Demnach werden in den kommenden zehn Jahren 200.000 bis 350.000 neue Pflegeplätze notwendig werden. Diese Erwartung sehen viele Experten als realistisch an. Für Care-Caterer ist das zunächst eine gute Nachricht, denn so oder so wird der Care-Markt wachsen.
Mit dem Blick in die Zukunft beiben aber auch viele Fragen offen: Wo geht die Reise im Care-Markt hin? Welche Wohnformen sind künftig gefragt? Ernst Sandmann, Geschäftsführer bei Wisag Care Catering, fragt beispielsweise in diesem Zusammenhang: „Wie verändern sich die Märkte im Asset Wohnen und Gesundheitswesen, um die Lücke zu schließen?“ Interessant ist auch: Entstehen eher Kleinstgruppen wie Senioren-WG’s, was ist mit Quartierentwicklung, geht es in Richtung ambulante Pflege oder sind es doch eher die klassischen Senioren-Einrichtungen, die den Markt bestimmen? „Welchen Stellenwert die einzelnen Lösungen einnehmen werden, ist noch nicht abzusehen“, stellt Sandmann fest. Für sein Unternehmen zieht er daraus den Schluss, sich mit allen Ansätzen zu beschäftigen, mitzudenken und sich einzubringen, „um unser Angebot entsprechend weiterentwickeln zu können“. Hierbei spiele dann nicht nur die reine Speisenzubereitung eine Rolle, sondern auch die Logistik und Verteilung der Mahlzeiten.
SEHR HETEROGENE MARKT-STRUKTUR
Der Senioren-Markt in Deutschland stellt die Caterer auf Grund seiner heterogenen Struktur jedoch auch schon heute vor große Herausforderungen. Michaela Mehls: „Die Vielfalt der Einrichtungen bringt unterschiedliche Versorgungsvarianten mit sich“. Es mache einen Unterschied, ob es sich um um eine klassiche Pflegeeinrichtung, Residenz, Wohnstift, Betreutes Wohnen, Wohngruppenmodelle oder Wohngemeinschaften handelt“, sagt Mehls. Auch im Care-Markt ziehen schon lange keine 08-15-Angebote mehr. „Für Senioren und ihre Angehörigen ist die Speisenversorgung bei der Auswahl einer Einrichtung ein wichtiges Kriterium – und dadurch ein wichtiger Aspekt für die im Wettbewerb stehenden Einrichtungen“, erläutert Sandmann die Situation.
Der Caterer Sodexo ist überzeugt, dass sich für externe Caterer sowohl aus dem Marktwachstum also auch aus den absehbaren Marktveränderungen in Zukunft neue Chancen ergeben. Leistungsstarke, überregionale Caterer seien besonders interessant für größere, wachsende Unternehmen (aus dem Senioren- und Pflegemarkt; Anm. d. Red.), denn diese hätten auch einen besonderen Bedarf an Management-Unterstützung, da die eigenen Ressourcen durch Wachstum und Konsolidierung regelmäßig überansprucht würden, teilt Sodexo weiter mit. „Der Erfolg kleiner regionaler Anbieter wird sich auf ländliche Kreise fixieren. In Ballungszentren können professionelle Dienstleister Vorteile im Markt realisieren“.
Ernst Sandmann von Wisag Care Catering sieht das ähnlich: „Bei Senio-
reneinrichtungen sehen wir eine schnell voranschreitende Marktkonsolidierung und die Bildung einiger großen Betreiber. Viele dieser Betreiber verfügen zwar über eigenes Personal für Versorgungsthemen, allerdings haben diese Betreiber auch großes Interesse an unserem Fachwissen und Einkaufs-Know-how“. Und noch eine Tatsache spielt den Caterern derzeit in die Karten. Der Investitionsstau in vielen Seniorenheimen. „Das erfordert professionelle Lösungen für die Küche“, teilt Heike Verlage, Unternehmenskommunikation Apetito, mit. Gefragt seien Ideen, die Investitionen geringhalten und Küchensysteme, die mit einem Mindestmaß an qualifiziertem Personal umgesetzt werden können. Keine leichte Aufgabe, denn „die Anforderungen an die Ernährung Pflegebedürftiger in Seniorenheimen werden höher“, sagt Verlage. Insbesondere die Relevanz der Themen Ernährung bei Demenz und Ernährung bei Kau- und Schluckbeschwerden nehme weiter zu. Gleichzeitig steige der Anteil von Vegetariern und anderer, durch Weltanschauung oder Religion geprägter Ernährungs-Formen. Zusatzangebote sind gefragt. „Halal und koschere Ernährung spielt eine größere Rolle als früher“, bestätigt Michaela Mehls von Dussmann. Eine neue Generation „Alter“ mit deutlich veränderten Ess-Gewohnheiten rückt nach.
MIT ALLEN SINNEN DABEI SEIN
Viele Caterer haben auch deshalb eigene Ernährungs- und Erlebniskonzepte entwickelt, die auf die speziellen Bedürfnisse der heutigen Senioren zugeschnitten sind: Sinneszauber von Wisag beispielsweise ist ein Ansatz, der über reine Speisenversorgung hinausgeht. Er richtet sich unter anderem an Demenzkranke. Seit 2018 gibt es neben dem Getränkekonzept, der Speiseplan- und Raumgestaltung und Essen mit Genuss noch die Komponente Erlebnistage. Diese sollen Senioren in der Gemeinschaft aktiv zu werden. Dafür führt Wisag beispielsweise einen Nachmittag der Sinne, ein Cocktailevent, Tanztee oder ein Restaurant-Abend durch. Klüh hat speziell für Patienten und Senioren mit Schluckbeschwerden das Produktkonzept „Sanfte Küche“ entwickelt. Michaela Mehls ist überzeugt: „Die Verpflegung ist Teil des Alltags der Senioren. Jede einzelne Mahlzeit strukturiert ihren Tag. Unsere Kreativität bei der Mahlzeitgestaltung trägt daher unmittelbar zur Zufriedenheit und zum Wohlbefinden bei.“ Dussmann filtert aus der Biografie der Senioren Essgewohnheiten und Rituale: Was haben sie selber früher gekocht? Welche Gerichte erinnern sie positiv an früher? Auch Lieferanten, wie beispielsweise Transgourmet, haben sich auf die wachsenden Ansprüche eingestellt: „Wir bieten konkrete Beratungen für Heim- und Küchenleiter sowie ein umfangreiches Dienstleistungsangebot, um den heutigen Anforderungen an die Seniorenverpflegung gerecht zu werden“, sagt Kai Zeumer, Fachbereichsleiter der Abteilung Beratung & Konzept bei Transgourmet Deutschland. Sein Engagement in diesem Catering-Bereich unterstreicht das Unternehmen mit dem jährlichen Wettbewerb „Vom Kostenfaktor zum Glücksfaktor“. Hier werden kreative Konzepte in der Seniorenverpflegung prämiert (siehe Kasten Gewinner-Typen). „Wir honorieren Leidenschaft und diese stellen wir immer wieder fest, wenn wir die Nominierten besuchen“, teilt Lisa Hochstein, Kompetenzteam Ernährung/Hygiene/Information bei Transgourmet, mit. Ihre Kollegin Sina Urban ergänzt: „Sie engagieren sich zumeist nicht nur in einer Sache, sondern viele kleine Dinge fügen sich zu einem großen Ganzen. So ist man zum Beispiel nicht nur auf das Essen fokussiert, sondern alle Sinne der Bewohner werden angesprochen“. Auffällig ist, dass es bei allen Gewinner-Einrichtungen um viel mehr geht, als nur um die Versorgung mit Essen und Trinken. Die Einbeziehung der Menschen, die in den Einrichtungen leben, wird in Zukunft an Bedeutung weiter zunehmen, genauso wie das richtige, zeitgemäße Angebot im Rahmen ganzheitlicher Dienstleistungs-Konzepte. So wird beispielsweise WLAN in Senioreneinrichtungen in wenigen Jahren zum Standard gehören müssen (siehe Kasten). Noch sind die Einrichtungen hier zu Lande hier eher zurückhaltend.
Beitrag aus Cooking + Catering inside, Ausgabe 5/19
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